Die Perle.
Kleine
Louvre.
Familie im
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aus den herrlichen Röthelstudien zur Madonna (Louvre, Br.258), zum
Christuskind (Uffizien Br. 487) und zum Gewande der Madonna (ebend.
Br. 486).
Eine nicht minder reiche, aber ruhiger gehaltene Composition der
h. Familie sandte Rafael um dieselbe Zeit nach Verona an die Grafen
von Canossa. Vasari, der dies berichtet, spricht zwar von einer Ge-
burt des Heilandes mit einer vielgepriesenen Morgenröthe, aber mit
hoher Wahrscheinlichkeit darf man annehmen, dass er jene h. Familie
meint, welche 1628 aus Mantua in die Sammlung Karls I. von Eng-
land und 1649 bei der Versteigerung der königlichen Sammlungen
nach Madrid gelangte, wo sie jetzt im Museum aufgestellt ist. Als
Philipp IV. sie erblickte, nannte er sie entzückt die Perle seiner
Kunstschätze, und diesen Namen hat das Bild bis auf den heutigen
Tag behalten. Rafael knüpfte hier an das von Alters her beliebte
Thema der „Madonna sellodritta an, indem er die Madonna mit der
ehrwürdigen Gestalt der h. Anna (eine prächtige Rothstiftstudie zum
Kopf derselben in Oxford, Br. 54) in herzlichem Verein im Vorder-
grund einer reichen Landschaft zusammensitzeud darstellt. Anna kniet
neben der Madonna, welche liebevoll den linken Arm um ihre Schulter
legt, während sie mit der Rechten das auf ihrem Schooss sitzende
Christuskind hält. Der Kleine hat eben die Wiege verlassen, in welcher
er noch mit dem einen Fuss ruht, streckt lebhaft die Händchen gegen
die Früchte aus, welche der kleine Johannes eifrig heranbringt und
blickt dabei, wie um Erlaubniss fragend, zur Mutter empor. Den Hinter-
grund links nimmt eine römische Ruine ein, durch deren Bogen man
den h. Joseph heranschreiten sieht; rechts breitet sich eine reich mit
Gebäuden und Ruinen stafiirte Landschaft aus, über welche die von
Vasari gerühmte Morgenröthe ihr Licht ausgiesst. Auch dieses Bild
verrath in der Ausführung die derberen Töne und schwarzen Schatten,
welche G. Romano eigen sind. Noch einmal kehrt eine verwandte
Composition wieder in dem kleinen Bilde der h. Familie des Louvre,
welches abermals die Madonna in einer poetischen Wald- und Hügel-
landschaft vor einem von Gebüsch überragten Gemäuer ruhend dar-
stellt. Auch hier hat der Christusknabe sich eben aus der Wiege er-
hoben und liebkost über den Schooss der Mutter hinweg den kleinen
Johannes, welchen die zur Seite knieende h. Elisabeth umfasst hält.
Die Composition ist ohne Frage rafaelisch, aber die zierlich sorgfäl-
tige Ausführung in einem tiefen warmen Ton, sowie die Typen der
Köpfe erinnern am ersten an Garofalo.