Volltext: Geschichte der Italienischen Malerei vom vierten bis ins sechzehnte Jahrhundert (Bd. 2)

344 
Buch. 
VII. 
Kapitel. 
Rafael 
unter Leo 
Dazu trägt besonders der lichte Farbenton und die Abwesenheit aller 
schweren Schatten bei. Bezeichnend ist, dass für dieses. Bild keinerlei 
Skizzen vorliegen, dass vielmehr einzelne Correkturen zu erkennen 
sind, die noch mehr den Eindruck einer genialen Improvisation ver- 
stärken. Endlich kommt dazu, dass das Bild auf Leinwand gemalt ist, 
was sogar zu der seltsamen Sage geführt hat, es habe ursprünglich 
als Prozessionsfahne gedient. Der Umstand, dass die Bildnisse Castig- 
lione's, der Donna velata und Giulian0's de' Medici ebenfalls auf Lein- 
wand und zwar in derselben Technik gemalt sind, rechtfertigt die An- 
nahme, dass die sixtinische Madonna spätestens um 1516 entstanden ist. 
Um dieselbe Zeit malte Rafael für Branconio d'Aquila eine grosse 
Tafel mit der Darstellung der Heimsuchung, welche sich jetzt im 
Museum zu Madrid befindet. Hochberühmt wegen der Schönheit der 
Gestalten und der ausdrucksvollen Lebendigkeit der Composition, gilt 
auch dieses Bild zum grösseren Theil als eigenhändige Arbeit des 
Meisters. Dagegen gehört die Mehrzahl der etwa seit 1518 entstandenen 
Altarbilder zu denen, welche Rafael zwar durch sorgfältige Studien vor- 
bereitete, aber grösstentheils durch Schülerhände ausführen liess. Dahin 
zählt der für den Kardinal Colonna gemalte Johannes der Täufer, jetzt 
in den Uffizien. Der Künstler hat den Vorläufer Christi als Jüng- 
ling in einer felsigen Einöde auf einem bemoosten Stein sitzend dar- 
gestellt. Die jugendlich kräftige Gestalt ist fast nackt, nur zum Theil 
von einem Pantherfell bedeckt. In der Linken hält er ein Schriftband, 
mit der Rechten zeigt er nach dem am Felsen befestigten Rohrkreuz 
und zugleich nach oben, wo ein himmlischer Lichtstrahl das Dunkel 
durchbricht. Das Bild, ebenfalls auf Leinwand gemalt, ist im Wesent- 
lichen eine Schiilerarbeit, wie man aus dem wenig belebten Kopf und 
der fast zu herben Kraft der Modellirung erkennt. Die treffliche 
Röthelstudie dazu sieht man in der Sammlung der Uffizien. Ein vor- 
zügliches Exemplar des Bildes besitzt die Galerie zu Darmstadt; 
eine andere alte Kopie das Museum zu Berlin. Ausserdem bezeugen 
zahlreiche alte Kopieen die grosse Beliebtheit des Werkes. 
Mehrere bedeutende Bilder gingen um 1518 aus der Werkstatt 
RafaePs für Franz I. hervor. So ausser der Johanna von Aragonien 
zunächst der h. Michael, der den Drachen niederwirft und von gött- 
lichem Zorn erfüllt, den Erbfeind der Menschheit mit hochgehobenem 
Speer zu durchbohren im Begriff ist. (Fig. 84.) In einer zerklüfteten 
Felseneinöde ereilt der göttliche Streiter den zu Boden geworfenen Un- 
hold; von grandioser überwältigender Macht ist die unwiderstehliche
	        
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