Volltext: Geschichte der Italienischen Malerei vom vierten bis ins sechzehnte Jahrhundert (Bd. 2)

welchen Rafael am römischen Hofe verkehrte. Die geistvollen Schil- 
derungen, die uns hier der Pinsel eines der grössten Maler giebt, liefern 
die beste Illustration zu dem, was die Geschichtsschreiber uns berichten, 
denn in wahrhaft grossem historischem Geist, geübt und gestärkt an 
den monumentalen Schöpfungen, die damals unter seiner Hand ent- 
standen, schildert Rafael diese Männer. Den Reigen eröffnet das herr- 
liche Brustbild des Grafen Baldassare Castiglione im Louvre. Es ist 
jener wahrhaft vornehme Mann, der uns in seinem „Cortegiano" das 
Ideal eines fein gebildeten Hofmannes gezeichnet hat. Vom Herzoge 
von Urbino zur Begrüssung an Leo X. gesandt, wurde er von diesem 
auf's Ehrenvollste aufgenommen und bildete durch seinen Geist und 
seine Liebenswürdigkeit einen Mittelpunkt für den Kreis von Gelehrten 
und Künstlern, die den Glanz des päpstlichen Hofes ausmachten. Später 
als päpstlicher Gesandter an den Hof Karls V. geschickt, starb er 
1529 in Spanien. Rafael hat ihn fast von vorn aufgenommen, ein 
wenig zur Linken gewendet. Es ist ein bedeutender Kopf, dem der 
dunkle Vollbart und die buschigen Augenbrauen ein energisches Ge- 
präge verleihen, das indess durch die freundlichen blauen Augen und 
den fein geschnittenen Mund gemildert wird. Ein weit überhängendes 
schwarzes Barett bedeckt den Kopf; das schwarze Gewand lässt nach 
der Sitte der Zeit auf der Brust bis zum Halse hinauf ein weisses 
faltiges Hemd sehen. Die schön modellirten Hände sind wie bei be- 
haglichem Gespräch übereinander gelegt. Der Ausdruck milden Wohl- 
Wollens ist in geistvoll sprechender Weise zur Erscheinung gebracht, 
die Carnation zeigt einen fein gestimmten kühlen, etwas in's Röthliche 
spielenden Ton, dem das warme lichte Graubraun des Hintergrundes zum 
wirksamen Gegensatz dient. Voll Leben und Ausdruck sind namentlich 
Mund und Augen, leicht und geistreich gemalt ist der stattliche Bart, frei 
und edel die Haltung des Ganzen, das trefflich in den Raum gestellt ist. 
Ihm schliesst sich das Brustbild des Kardinals Bibbiena an, dessen 
Original die Galerie zu Madrid besitzt, während die Galerie Pitti nur 
eine Kopie desselben bewahrt. Bernardo Dovizi da Bibbiena, welchen 
Leo X. zum Kardinal ernannt hatte, gehörte zu jenen Prälaten, in 
welchen der Humanismus vorzüglich die Form heiteren Lebensgenusses 
angenommen hatte. Als Verfasser der übermüthig zuchtlosen Komödie 
Calandra lernten wir ihn schon kennen, ebenso verrieth die Wahl" der 
Gegenstände in seinem Badezimmer eine starke Vorliebe für erotische 
Stoffe. Rafael hatte an dem feinen weltgewandten Prälaten einen warmen 
Gönner, der ihm sogar, wie wir vernahmen, eine Verwandte zur Frau 
Lübke, Italien. Malerei. II. 22
	        
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