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Buch.
Kapitel.
VII.
unter Leo
Rafael
und des Constantinbogens verwendete, liegt klar zu Tage. Aus der
Verbindung dieser Elemente mit der Eigenart seines künstlerischen
Geistes bildete sich jener ideale historische Stil, der dann bald als
Gemeingut einer grossen Schule allerdings conventioneller Leere verfiel.
Ueberblicken wir die Summe des von Rafael in wenigen Jahren
Geleisteten, so erfasst uns Staunen vor der Unerschöpflichkeit seiner
Phantasie, vor der sicheren Gestaltungskraft, "der Fülle köstlichen
Lebens, der Reinheit und Anmuth der Empfindung, mit der er Alles
adelt, was er berührt. Und dies inmitten eines üppigen genusssüch-
tigen Hofes, der auf anderen Gebieten, in der Komödie und sonstigen
Schaustellungen, sich der grössten Zügellosigkeit hingab. Eins aber
ist bei alledem zu beklagen: während Michelangelo seine grossen
Schöpfungen ganz allein ausführte und jede Hilfe abwies, musste Rafael
schon bald bei der immer mehr steigenden Fluth der Aufträge, etwa
seit 1513, zur Ausführung fast aller seiner umfangreicheren WVerke die
grosse Anzahl von Schülern in Anspruch nehmen, die sich durch die
Liebenswürdigkeit seines Naturells zu ihm hingezogen fühlten. So kam
es, dass namentlich die späteren Stanzen, die Loggien, die Halle der
Farnesina, das Badezimmer Bibbiena's, die Kapelle der Magliana so
gut wie ausschliesslich Schülerhänden anheimfielen. Anderes, wie die
Cappella Chigi und die Teppiche, wurde für eine Weise der Herstellung
entworfen, bei welcher handwerkliche Technik den Vorrang hatte. Und
selbst bei der Ausführung der Kartons für die Teppiche musste er sich
der Mitwirkung seiner Schüler bedienen. Dadurch entstand eine Kluft
zwischen Entwurf und Ausführung, die allerdings wieder in die Ge-
wohnheiten der noch stark handwerklichen Kunst der früheren Kunst
zurücklenkte. Diese Kluft musste aber um so empfindlicher werden,
je höher die Kunstvollendung, je feiner der Geist des eriindenden
Meisters war, je merklicher selbst die tüchtigsten unter seinen Schülern
hinter ihm zurückblieben. S0 hoch daher immer unsere Bewunderung
der herrlichen Compositionen sein wird, so erfahrt dieselbe durch die
Art der Ausführung nicht unwesentliche Trübung, denn das Wesen
eines Kunstwerks besteht niemals allein in der Idee, sondern verlangt
zur vollen Geltung die beseelte Hand des eründenden Meisters.
Um so werthvoller für uns, dass wir aus derselben Zeit RafaePs
eine Reihe von Bildnissen besitzen, in welchen wir den Meister auch
in der geistvollen Ausführung auf der vollen Höhe kennen lernen. Die
bedeutendsten derselben erhalten dadurch ein noch höheres Interesse,
dass sie uns in den Kreis der hervorragenden Männer einführen, mit