auffallend an die Madonna di Fuligno erinnert, so würden diese Ver-
suche RafaeYs in eine Zeit fallen, in Welcher er noch nicht so sehr
von allen Seiten durch Aufträge bedrängt war.
Wie dem indess auch sein mag, die künstlerische Grösse RafaePs
erhält dadurch keinen weiteren Zuwachs; wohl aber wurde seine Ver-
bindung mit Marcanton von grosser Bedeutung für sein künstlerisches
Schaffen. Dieser hatte sich aus mühsamen Anfängen zuerst in der
Schule Francia's, dann besonders durch Studien nach Mantegna und
Dürer zu hoher Bedeutung emporgeschwungen. Schon 1506 hatte er
eine Anzahl von Blättern aus Dürer's Holzschnittwerk „das Leben der
ltiaria" in Kupfer nachgestochen und fünf Jahre später die kleine
Passion Dürer's kopirt. Während er dabei dem deutschen Meister be-
sonders in den landschaftlichen Gründen viel verdankte, folgte er ihm
dagegen nicht in der höheren Ausbildung des malerischen Reizes, son-
dern entwickelte unter dem Einfluss Michelangelds und mehr noch
RafaePs den Kupferstich vorzüglich im Sinne einfacher klarer Plastischer
Formbezeichnung. Ein Uebergangsstadium bilden 1510 die Kletterer
Michelangelds, die er in Kupfer stach und mit einem landschaftlichen
Hintergrunde nach Lucas von Leyden ausstattete. Bald darauf beginnt
seine Verbindung mit Rafael, deren Anfang durch die Stiche nach dem
Parnass und der Poesie aus der Stanza della Segnatura bezeichnet
wird. J e mehr Rafael durch die massenhaften Aufträge gedrängt
wurde, sich bei der Ausführung der Hilfe von Schülern zu bedienen,
desto verlockender wurde ihm die Aussicht, durch einen tüchtigen, ihm
nahe stehenden und in seine Kunstweise eingeweihten Stecher die
grosse Fülle von Schöpfungen, die seiner Phantasie unablässig ent-
strömten, mit dem Grabstichel fixiren zu lassen. So entstanden jene
herrlichen Blätter des Kindermords (Studien in der Albertina, Br.137,
138 und im Brit. Museum, Br. 80, während ebendort das Blatt Br. 91
nur Kopie), des Abendmahls, des Sündenfalls (Entwurf in Oxford), des
Martyriums der h. Felicitas, denen sich aus dem mythologischen Ge-
biet der prächtige Neptun und das Urtheil des Paris anschliessen lassen.
Dahin gehören ferner manche andere antike Stoffe, sowie die ver-
schiedenen Kinderreigen. Wie sehr Rafael dabei gelegentlich auf an-
tike Denkmäler zurückgriff, sie in seiner Weise frei verwendete und
umbildete, zeigt das Urtheil des Paris, dessen Vorbilder sich in noch
vorhandenen antiken Reliefs (Villa Medici und Pamfili) nachweisen lassen.
Dass überhaupt Rafael in seinen späteren Schöpfungen Studien nach
römischen Denkmälern, namentlich nach den Reliefs der Trajanssäule