Buch.
Kapitel.
Kultur
Die
ital.
Hochrenaissance.
räthereien Papst Clemens VII. , ebenfalls eines Mediceers, die ewige
Stadt ereilen sollte: jener Einnahme und Plünderung Roms durch das
Heer Karls V., bei welcher die deutschen Landsknechte, verbunden
mit der entmenschten spanischen Soldateska, der Unglückseligen ein
Hunderttausendstel von dem Fluch und dem Unheil zurückgeben sollten,
mit welchen das Papstthum seit einem halben Jahrtausend Deutschland
heimgesucht hatte!
In solche Umgebungen versetzt, hatte die italienische Kunst so
gut wie die gleichzeitige Poesie leicht höfisch und frivol werden können,
wenn nicht ein Trieb zum Höchsten die edelsten Meister beseelt und
hoch über dem Alltagstreiben in den Aether der Idee hinaufgehoben
hätte. Von Michelangelo wissen wir, es aus zahllosen Stellen seiner
Gedichte, von Rafael ebenfalls aus bezeichnenden Aeusserungen, dass
es im Sinne der platonischen Lehre eine höchste Idee des Schönen
war, deren Verwirklichung sie erstrebten. Alle Kunstwerke, welche
jene Zeit hervorgebracht, bezeugen dies nicht minder laut und deutlich.
Aber auch zu J ulius II. Ruhm muss es gesagt werden, dass er von
der Kunst nicht das Kleine, Gefallige verlangte, sondern durchaus das
Grosse und Gewaltige, und dass er ihr Aufgaben stellte, die ihrer
vollen Kraft würdig waren. Auf die Weltbühne Roms versetzt, {iel
somit alles Enge einer blossen Lokalkunst von ihr ab; an ihren grossen
Aufgaben reifte sie selbst heran, entfaltete ihren freien, grossen Styl
in ganzer Majestät, ward Weltkunst im höchsten Sinne des Wortes.
Wie zu den Zeiten des Phidias schuf sie wieder aus den tiefsten An-
schauungen ihrer Zeit Gebilde von unvergänglichem, allen Wechsel
der Zeiten überdauernden Werthe.
Dazu wirkte dann in entscheidender Weise die unmittelbare Be-
rührung mit dem klassischen Alterthum. Noch uns Spätlebende erfasst
ein neues Daseinsgefühl, wenn wir den Boden Roms betreten, wenn
die ernste Grösse seiner aus Ruinen und Tausenden von Kunstwerken
zu uns redenden Vergangenheit das Gemüth ergreift. Wie fallt da
alles Kleinliche einer drückenden, beengenden Wirklichkeit von uns
ab; wie erquickt sich die Seele im Verjüngungsbade antiker Herrlich-
keit; wie fallen die Nebelschleier von dem befangenen Auge, das nun
erst gewohnt wird den Sonnenglanz höchster Schönheit in sich aufzu-
nehmen! Welches tiefere Gemüth erfahrt hier nicht eine Läuterung
und Befreiung seines ganzen Wesens! Noch viel starker wirkte auf
die Menschen der Renaissance diese grosse Vergangenheit. War es
doch ein jugendliches Geschlecht in der ungebrochenen Frische erster