Chigi-Kapelle.
Kuppel
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darin am Boden hinkriecht, das Alles zeigt uns den rafaelischen Genius
in seiner sonnigsten Heiterkeit. Ausser jener in nackten Figuren aus-
geführten herrlichen Röthelstudie der Albertina giebt es in Oxford und
im Louvre (Br. 277) Zeichnungen nach dem Original mit bekleideten
Figuren, die aber nicht als eigenhändige Arbeiten RafaePs gelten können.
Endlich entstanden um dieselbe Zeit (1516) RafaePs Entwürfe für
die Kuppel der kleinen Kapelle, welche Agostino Chigi in Sta. Maria
del Popolo durch einen venezianischen Mosaicisten ausführen liess.
Rafael schuf hier ein durch Schönheit der Eintheilung, Reichthum der
Phantasie und Anmuth der Gestalten hervorragendes Werk, das sich
durch die naive Verbindung christlicher und antik mythologischer Vor:
Stellungen wieder als eine achte Renaissanceschöpfung ausweist. In der
Mitte scheint sich die Kuppel zu öffnen, und vom blauen Himmels-
grunde schaut die Halbfigur Gottvaters herein. Er ist von Engeln
umringt und breitet wie in schöpferischem Akt die Arme aus, die von
Engeln gehalten werden. Dies von Michelangelo entlehnte Motiv hat
Rafael, wie wir sahen, mehrfach benutzt. Sein neidloser reiner Sinn
hat dadurch dem Genius des grossen florentiner Meisters seine Huldi-
gung dargebracht, ohne darum im mindesten von seiner eignen schöpfe-
rischen Originalität etwas einzubüssen. In geistvoller Weise hat sodann
der Künstler auf den acht grösseren prachtvoll eingerahmten Feldern
der Kuppel die Halbüguren der sieben Planeten durch die antiken
Göttergestalten Apollo, Diana, Saturn, Jupiter, Mars, Venus, Merkur
dargestellt, die in einem mit den Zeichen des Thierkreises geschmück-
ten Bogen sich befinden. Für das achte Feld blieb der goldgestirnte
Himmelsglobus übrig, der von einem über ihm schwebenden Engel
gehalten wirdß Diesem Engel entsprechen nun in den sieben andern
den Planeten gewidmeten Feldern ähnliche Himmelsboten, die in herr-
lichen Bewegungen den Raum füllen und in geistvoller Weise die Be-
ziehungen der Planeten zu dem Schöpfer des Weltalls versinnlichen.
Besonders anziehend ist dies in dem über Jupiter schwebenden Engel
ausgesprochen, der mit beiden Händen in feurigem Schwung gen Himmel
weist. Von Studien zu diesen köstlichen Oompositionen können wir
eine Röthelzeichnung zum Mars sammt dem dazu gehörenden Engel in
Lille (Br. 85), andere zu dem Engel desselben sowie zu dem Engel
Jupiters und zu Gottvater in Oxford, zum Engel des Mars eine Va-
riante im Brit. Museum (Br. 73) nachweisen.
Auch zu einem plastischen Werk hat der vielbeschäftigte Künst-
ler damals einen Entwurf geliefert; es ist die edle Statue des Jonas