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Buch.
Kapitel.
unter Leo
Rafael
geringerer Art, ja, das letztere darf nicht einmal dem Giulio Romano
aufgebürdet werden. Es ist gewiss bezeichnend für den reinen Sinn
RafaePs, dass er die verfänglicheren Darstellungen gröberen Händen
überliess.
Zu diesen Wandbildern gesellt sich auf schwarz gemaltem Sockel
eine Reihe von kleineren Bildern, in welchen Amor sieben Mal als
Wagenlenker dargestellt ist, indem er jedesmal ein anderes Thierpaar
seinem kleinen Wagen vorgespannt hat. Einmal sind es Schmetter-
linge, dann Delphine, wiederum Schlangen, sodann Schwäne, ja sogar
die schwerfälligen Schildkröten und die sprichwörtlich langsamen
Schnecken weiss er zu seinem Dienst zu verwenden. Wie er in der
Farnesina sich durch die Attribute der Götter als Herrscher im weiten
Reich des Olymps ankündigt, so beherrscht er hier das gesammte
Thierreich; zugleich aber in unverkennbarer Symbolik die verschie-
densten Charaktere und Temperamente von dem ilüchtigsten bis zum
trägsten, vom feurigsten bis zum schwerfalligsten. Endlich hat auch
das Gewölbe in seinen von Gold und Farben strahlenden Cassetten
einen Schmuck von Eroten und allerlei Thierwesen, ausserdem vier
grössere Bilder gehabt, von denen nur noch Pan und Cupido nach-
weisbar ist. Der kleine Raum muss ursprünglich mit diesem heiteren
poetischen Schmuck einen köstlichen Eindruck gemacht haben.
In diese Reihe gehören nun auch die von Schülern RafaePs aus-
geführten Fresken, welche ehemals in der sogenannten Villa RafaeFs
sich befanden und bei Zerstörung derselben in die Galerie Borghese
gelangten. Dass jenes kleine Gebäude ohne allen Grund dem Rafael
beigelegt wird, steht allgemein fest. Wahrscheinlich hat irgend ein Kunst-
freund der damaligen Zeit die Villa für sich ausführen und dieselbe mit
Fresken schmücken lassen, zu welchen er Zeichnungen verschiedener
Künstler als Vorlage verwendete. Das eine Bild, jenes räthselhafte Schei-
benschiessen darstellend, ist nach dem oben (S136) besprochenen Entwurf
Michelangelds ausgeführt. Das andere stellt nach einer der köstlichsten
Zeichnungen RafaePs, jetzt in der Albertina (Br. 171), die Vermählung
Alexanders mit Roxane dar. Es gehört in der Holdseligkeit und Zart-
heit der Empiindung, der Anmuth der Bewegungen und dem ent-
zuckenden Spiel muthwilligen Kinderlebens zu den liebenswürdigsten
Werken des Meisters. Wie sich Roxane jungfräulich verschämt von,
den Eroten entkleiden lässt, während andere den jugendlichen Alexander
zu ihr geleiten, wieder andere sich mit dem Schild und Speer des
Helden schleppen und Einer gar in seinen Panzer geschlüpft ist und