Volltext: Geschichte der Italienischen Malerei vom vierten bis ins sechzehnte Jahrhundert (Bd. 2)

Die Teppiche: 
Uebergabe 
Schlüssel. 
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dieser Doppelbewegung hat Rafael erst nach mehreren Versuchen ge- 
funden, denn in einem herrlichen in Röthel ausgeführten Entwürfe zu 
Windsor (Nr. 9) erhebt er die Rechte gen Himmel, in einem andern 
halt er in der einen Hand die Schlüssel, während er die andere an die 
Brust drückt. Im Karton dagegen hat Petrus die Schlüssel bereits 
erhalten und umschliesst dieselben wie einen theuren Schatz, während 
er mit inniger Dankbarkeit zum Meister emporblickt. In der Schaar 
der Apostel spiegelt sich der Eindruck der Scene mit solcher Mannich- 
faltigkeit der Empfindungen, dass hier der psychologische Tiefblick 
RafaePs sich glänzend offenbart. Der zunächst stehende bärtige Kopf 
zeigt Ueberraschung, ja fast missbilligendes Befremden über die Er- 
höhung seines Gefährten. In heller Freude dagegen leuchten die jugend- 
lich edlen Züge des Johannes, der wie von magischer Gewalt angezogen 
sich herandrängt. Lebhaft, aber nicht so ausgeprägt ist die Bethei- 
ligung der beiden folgenden, während dagegen der düstere, leiden- 
schaftliche, die Mitte der Gruppe einnehmende Apostel zwar ebenfalls 
vorwärts drängt, aber mit fragendem Blick sich zu den Folgenden 
umwendet, als wolle er den Eindruck des Ereignisses beobachten. So 
ist er das lebendige Verbindungsglied zwischen den beiden Gruppen. 
Auf ihn folgt wieder scharf in's Proül gestellt ein Jünger, der mit 
starrem Auge unbeweglich den ihm unfassbaren Vorgang anstaunt und 
mit der Rechten instinktmässig den herabgleitenden Mantel zu halten 
sucht. Hinter ihm steht eine kleinere Gestalt, in deren dunklen Zügen 
man fast neidisches Uebelwollen zu erkennen glaubt, während die 
übrigen Gestalten von ferne mit kühler Ruhe das Ereigniss beobachten. 
Der Reichthum in der Abstufung der Charaktere, die feierliche Grösse 
der Formgebung, die rhythmische Bewegung des Ganzen erhebt diese 
Composition zur Grösse historischen Stils. ,Der schöne landschaftliche 
Grund erhöht noch die Stimmung des Ganzen. 
Der Heilung des Lahmen ist der folgende Karton gewidmet. 
Nach der Apostelgeschichte III, 2 schildert Rafael, wie Petrus und 
Johannes den missgeschafenen Elenden heilen. Rafael verlegt, treu 
den Worten der Schrift folgend, die Scene in die Vorhalle des Tempels, 
für die er nach einem Muster in der alten Peterskirche gewundene, 
mit Laubwerk verzierte Bronzesäulen anwendet. Dadurch gewinnt er 
1110111? l010SS reicheren Zierath, sondern auch eine minder architektonisch 
starre Form der Gliederung für seine Composition. In dem mittleren 
Intercolumnium vollzieht sich das Wunder. Die ernste Gestalt des 
Petrus, den wir im Profil erblicken, der jugendschöne Johannes und
	        
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