20
III.
Buch.
Kapitel.
Die
Hochrenaissance.
Kultur der ital.
Ausdruck kommt, so offenbart sich hier das ganze Naturellnnd die
vielseitige Begabung eines edel gearteten Volkes in seiner Vollkraft.
Entschieden wurde das Schicksal der bildenden Künste dadurch,
dass sie ihren Hauptsitz nach Rom verlegten. Während der Entwick-
lungsepoche des 15. Jahrhunderts war Florenz der Vorort, die Wiege,
die Heimath der Künste gewesen. Die frische Luft eines Freistaates,
"der lebendige Hauch des strebsamen Bürgerthums, aus welchem sich
die fürstengleiche Macht der Mediceer erhob, alle höhere Bildung in
Wissenschaften und Künsten fördernd, das Waren die naturgemässen
lebenschaffenden Bedingungen für die Entfaltung einer Kunst, die in
rastlosem Fortschreiten seit Cimabue und Giotto unaufhaltsam dem
höchsten Ziele nachgestrebt hatte. Als die Kunst alle Gebiete des
Erkennens und Darstellens durchmessen und sich nun zum straffen
Zusammenfassen ihrer reichen Gaben anschickte, da wollten es günstige
Gestirne, dass ihrer höchsten Bethätigung der grösste Schauplatz ge-
öffnet wurde. Wohl wirkte auch in Florenz noch eine Reihe bedeu-
tender Meister, die in ihrer Weise an der Entwicklung des freien,
grossen Stils theilnahinen, und erst als mit dem letzten Aufstand gegen
die Medici (1.527) und der heldenmüthigen aber vergeblichen elfmonat-
liehen Vertheidigung der Stadt gegen das überlegene Heer des Kaisers
die Freiheit für immer zu Grabe getragen ward, sank auch unauf-
haltsam die Kunst und liess nur noch einem mattherzigen hötischen
Epigonenthum Raum. Ihre neue Heimath hatte sie längst in Rom
gefunden, seit durch Julias H. Meister wie Brainante, Michelangelo,
Rafael dorthin berufen worden waren. Und hier strahlt nun neben
den tiefen Schatten, welche die sittlichen Zustände der ewigen Stadt
uns enthüllt hatten, ein glänzendes Bild uns entgegen, mehr als Alles
geeignet, uns mit jenem Dunkel auszusöhnen. Denn wie in der mora-
lischen Welt Nichts als absolut schlecht hingestellt werden. kann, wie
in der Nacht tiefster sittlicher Versunkenheit uns noch ein Hoffnungs-
schimmer tröstet, so ist im Leben einer grossen Stadt nicht Alles .von
dem Schmutz entstellt, der sich gern auf der Oberfläche breit macht.
Und so finden wir im damaligen Leben Roms genug Züge des Edlen,
Hohen, Schönen, die uns die Gegensätze bald vergessen machen.
Vor Allem war Rom von altersher mit dem feierlichen Glorien-
schein der Weltherrschaft umgeben, der im wiedcrbelebten Studium
des klassischen Alterthums neu auflebte und eine höhere Weihe empfing.
Wie auch das Priesterthum entartet sein mochte, Rom war doch wieder
das Haupt der Welt, die Vertreterin der höchsten Idee, deren die