304
Buch.
III.
Kapitel.
VII.
Leo
Rafael unter
Mittelpunkte des Ganzen, auf welchen sich auch die Gruppen des
Vordergrundcs beziehen. Beachtenswerth ist, dass -Rafael, der in den
Bildern des Heliodorzimmers noch an historischen Kostümen festge-
halten, hier sich von diesen Schranken befreit und mit Vorliebe nackte
Gestalten oder solche in rein idealer Gewandung verwendet. Hierin
sowie in dem mächtigen Mark der Gestalten, den kühnen Bewegungen
und Verkürzuugen erkennen wir zuerst einen durchgreifenden Einfluss
Michelangelos Doch bleibt auch dabei der grosse Meister sich selber
treu und weiss der Energie dieses heroischen Stiles seine eigenste
Anmuth zu vermählen.
In der Ausführung merkt man an der derberen Zeichnung und
Modellirung, namentlich an den harten braunrothen Tönen des Fleisches,
Schülerhände, besonders die Mitwirkung Giulio Romands. Zahlreiche
Studienblätter in verschiedenen Sammlungen deuten auf die frühe Be-
wunderung, welche dies Bild mit seiner grossartig freien Gestaltungs-
kraft in den Künstlerkreisen erregte; wenige Blätter indess dürfen
eigenhändige Zeichnungen RafaePs gelten. Dazu zählen wir die kösty
liche Röthelstudie zu dem seinen Vater tragenden Mann, in der Alber-
tina (Br. 177) und ebendort die herrliche Studie zu den beiden Frauen
mit dem betenden Kinde (Br. 174), sowie die ähnlich ausgeführte Figur
des sich von der Mauer herablassenden Mannes (Br. 175), die meister-
lich lebendige Wasserträgerin, bekleidet in den Uflizien (Br. 493),
nackt in Oxford (Br. 43), doch letztere wohl schwerlich Original.
Das zweite dieser Bilder ist der Üeberfall bei Ostia. Auch
hier handelt es sich um ein Ereigniss aus der Regierungszeit Leo's IV,
Damals erschienen an den Küsten Italiens sarazenische Seeräuber, überall
plündernd und verheerend. Im Jahr 849 blokirten sie mit ihrer Flotte
den Hafen von Ostia und bedrohten Rom; da sandte Leo IV. seine
schnell zusammengerafften Truppen ihnen entgegen, die in einer See-
schlacht an der Mündung des Tiber einen glänzenden Sieg über die
Ungläubigen davontrugen. Rafael zeigt uns links im Bilde das an der
Mündung des Flusses gelegene Castell von Ostia. Vor demselben sieht
man mehrere päpstliche Kriegsgaleeren mit gereiften Segeln, während
ein feindliches Schiff eben das Segel ausgespannt hat, um zu entfliehen
und weiter zurück zwei das hohe Meer zu erreichen suchen. Noch
tobt der Kampf, der aus den stark bemannten Booten und selbst von
den Mastkörben aus geführt wird, aber er neigt sich seinem Ende zu.
Eins der Schiffe lodert eben in Flammen auf, und verzweiflungsvoll
stürzt sich eine Anzahl Üngläubiger in's Meer, um durch Schwimmen