Volltext: Geschichte der Italienischen Malerei vom vierten bis ins sechzehnte Jahrhundert (Bd. 2)

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Buch. 
Kapitel. 
unter 
Rafael 
J ulius 
selbständiger Genialität der Eriindungskraft, dass an keinen Anderen 
zu denken ist. Zunächst sind fast alle Figuren" nackt gezeichnet oder 
nur mit eng anliegenden, die Formen mehr verrathenden als verhül- 
lenden Lederpanzern bekleidet. Sodann füllt das Gewimmel der Hunnen 
den ganzen Vordergrund des Bildes, denn während die Hauptgruppe 
rechts im Wesentlichen dem Gemälde entspricht, hat der Künstler 
links noch drei Reiter und vier Fussgänger angebracht, welche mit 
allen Zeichen des Schreckens und Entsetzens im Anblick der himm- 
lischen Erscheinung zusammenfahren. Wer sich an der Zugabe einiger 
in Wolken schwebender Engel stösst, hat übersehen, dass dieselben 
später von andrer Hand hinzugefügt worden sind, um das ursprüng- 
lich im Halbrund schliessende Blatt viereckig zu machen. 'Wichtiger 
dagegen ist die Veränderung in der Figur Attila's, der nur mit dem 
einen Arme zurücktährt, während er mit der rechten Hand sich gegen 
das Blendende der himmlischen Gestalten zu schützen sucht. Wie sehr 
der Ausdruck Attila's an Prägnanz und einheitlicher Stimmung ge- 
wonnen hat, indem der Künstler auf dieses doppelte Motiv verzichtete 
und ihn mit beiden Armen sich in jähe Umkehr und Flucht werfen 
lässt, liegt auf der Hand. Aber auch einen andern grossen Fortschritt 
that Rafael, als er die Gruppe des auf seinem Zelter heranziehenden 
Papstes, die man auf dem Entwurf ganz fern im Hintergrunds sieht, 
in den Vordergrund rückte und die prächtigen Figuren der dort an- 
gebrachten, wild bewegten Hunnen opferte. Denn es ist nicht minder 
zweifellos, dass er dadurch die ganze Wucht der leidenschaftlichen 
Bewegung auf Attila selbst und seine nächsten Begleiter concentrirte 
und durch den Gegensatz der päpstlichen Gruppe den Eindruck steigerte. 
Endlich erreichte er dadurch, dass der Papst, wie die Legende be- 
richtet, mit in die Handlung eingreift, während er nach dem ersten 
Entwurfe eigentlich post festum gekommen wäre. Dies ist einer der 
vielen Fälle, wo wir bei Rafael, indem wir in die Werkstatt des 
schaffenden Genius blicken, mit wachsender Bewunderung die Weisheit 
seines künstlerischen Verfahrens erkennen. Auch dieses Bild voll Feuer 
und Leben erhielt durch die glänzende Kraft der Farbe, durch die 
energische Frische der Gestalten und die feine Abtönung des Hinter- 
grundes hohen malerischen Reiz. 
 Als letztes Bild dieser Reihenfolge entstand an der zweiten Fenster- 
wand die Befreiung Petri. Der Künstler hat hier die durch das 
einschneidende Fenster bedingte Form des Bildes zu einer Darstellung 
benutzt, welche drei Momente der Handlung umfasst. In der Mitte
	        
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