294
Buch.
III.
Kapitel.
Rafael
unter Julius
tonen. Den Vordergrund endlich füllen hier mit dem Sessel des Papstes
die knieenden Träger, eine prächtige Gruppe in den malerischen Ko-
stümen der damaligen Sehweizerwache, meisterlich lebendige Gestalten,
mit dem treffenden Ausdruck der ihnen eigenen gleichmüthigen Ruhe.
Der hohen Vollendung der Composition entspricht die breite Kraft
und der koloristische Reiz der malerischen Ausführung. Besonders
sind die zahlreichen Bildnisse von einer Prägnanz des Lebens und
Grösse historischer Auffassung, dass sie der monumentalen Bedeutung
des Werkes völlig entsprechen.
Auch von diesem Bilde sind uns nur Wenige Studien erhalten.
Am werthvollsten für die Entwicklung der Composition sind drei in
Oxford (Br. 37) befindliche Kopieen eines früheren Entwurfs. Sie zeigen
eine andere Anlage der Treppe und verlegen die Handlung in die
geschlossene Apsis der Kirche. Wichtigervist, dass dem Priester am
Altare der Papst noch nicht gegenüber kniet, dass dieser vielmehr
weiter unten auf der Treppe knieend wie ein gewöhnlicher Zuschauer
aufgefasst war. In der Aenderung dieser Anordnung ein blosses
höfisches Compliment vermuthen, heisst dem Kunstverstande RafaePs
zu nahe treten. Er bedurfte nicht bloss für die äusseren Linien der
Composition dies Gegengewicht, sondern auch für die innere Entwick-A
lung des Gedankens den Vertreter der kirchlichen Unfehlbarkeit. Erst
durch das Hinaufrücken des Papstes gewann die Composition ihre
Vollendung.
Das dritte Wandbild schildert Attila vor Rom, wie er durch
die Vorstellungen Papst Leo's I. und durch die wunderbare Erscheinung
der Apostelfürsten bewogen wird, von Rom abzustehen. (Fig. 71.) Auch
hier handelt es sich also wieder um _Beschützung der Kirche durch
die himmlischen Mächte. Das Kriegsgefolge Attilafs zu Ross und zu
Fuss mit Lanzenträgern, Tubabläsern und flatternden Standarten ent-
wickelt sich rechts aus der Tiefe des Bildes und ist bis über die Mitte
desselben vorgedrungen. Prächtige Gestalten in phantastischen Rüstungen
sprengen auf feurigen Bossen daher. Der eine rechts mit dem engen
Schuppenpanzer ist von der Trajanssäule entlehnt. Alles ist noch
mitten im kriegerischen Feuer; nur die beiden Lanzenträger, welche
voran schreiten, stutzen plötzlich, da sie den Papst mit seinem Gefolge
in unmittelbarer Nähe gewahren. Attila selbst, der auf seinem ruhig
schreitenden Streitross die Mitte des Bildes einnimmt, wird in diesem
Augenblick durch eine andere Erscheinung gefesselt. Denn von der
Linken her schweben vom Himmel herab die Gestalten der Apostel-