Volltext: Geschichte der Italienischen Malerei vom vierten bis ins sechzehnte Jahrhundert (Bd. 2)

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III. 
Buch. 
Kapitel. 
unter 
Rafael 
Julius II. 
Stimmung milde verklingt. Unter den Sesselträgern des Papstes, die 
wie Julius selbst prägnante Bildnissköpfe zeigen, hat Rafael in der 
stattlichen Vorderfigur dem berühmten Kupferstecher Marcanton ein 
Denkmal gesetzt.  
Wie meisterlich auch in diesem Werke die Massen abgewogen 
und in freier Symmetrie vertheilt sind, wie stimmungsvoll der edle 
Kuppelraum des Tempels mit seinen Seitenschiffen den Eindruck steigert, 
braucht kaum hervorgehoben zu werden. Aber als ein ganz neues 
Moment der Entwicklung haben wir die malerische Behandlung des 
Bildes zu betrachten, in welcher Rafael, um der Energie der Gestalten 
gerecht zu werden, eine ganz neue Bahn betritt, indem er in tieferen, 
saftigeren Tönen malt, auf reichere Abstufungen der Farbenscala be- 
dacht ist, und auch in der Charakteristik der Stoffe, in der Aufnahme 
reicher Zeitkostüme dem malerischen Elemente grösseren Spielraum 
gewährt. Es ist keine Frage, dass diese Richtung durch den damals 
in Rom auftretenden Sebastian del Piombo in ihm gefördert wurde, 
dessen venezianische Farbenbehandlung auf Rafael grossen Einfluss geübt 
hat. Aber wie immer nahm er auch hier nur das auf, was seinem 
innersten Wesen gemäss war und was seinen künstlerischen Absichten 
entgegen kam. 
Auf einer von Passavant und Rumohr beschriebenen Handzeich- 
nung, welche sich ehemals im Besitze Savigny's befand, scheint ein 
früherer Zustand der Composition sich erhalten zu haben. Sie zeichnet 
sich namentlich dadurch aus, dass die Papstgruppe in derselben noch 
nicht vorhanden ist. Eine Kreidestudie zu zweien der vorderen Frauen 
befand sich in der Sammlung Lawrence zu London, jetzt zu Oxford. 
Die ausgestreckte Hand des einen Engels, sowie den Kopf des Pferdes 
sieht man auf Studienblattern derselben Sammlung.  
An der benachbarten Fensterwand malte sodann Rafael die Messe 
von Bolsena. (Fig. 70.) Auch hier handelte es sich um die Dar- 
stellung eines Wilnders, aber eines solchen, bei welchem die Malerei 
sich darauf beschränken muss, den Reflex der Begebenheit in den Zu- 
Schauern zu schildern. Dies ist denn auch hier in vollkommener Weise 
gelungen. Die Sage erzählt, dass einem deutschen Priester auf der 
Reise nach Rom, da er an dem Wunder der Transsubstantiation zwei- 
felte, in Bolsena während des Messopfers durch das Bluten der Hostie 
beim Brechen derselben der Zweifel genommen worden sei. Reumüthig 
begab er sich dann zum Papst, der aus Anlass dieses Wunders das 
Frohnleichnamsfest stiftete. War im Heliodor Gottes Schutz gegen
	        
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