Volltext: Geschichte der Italienischen Malerei vom vierten bis ins sechzehnte Jahrhundert (Bd. 2)

Heliodor. 
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Prägnanz zur Erscheinung bringt, findet an dramatischer Gewalt und 
momentaner Wucht im weiten Bereich der Kunst kaum Ihresgleichen. 
Durch den leeren Raum, der in der Mitte entsteht, hat Rafael meister- 
lich verstanden die Richtung, in welcher sich diese stürmische Bewe- 
gung vollzieht, anschaulich zu machen und zugleich den Blick nach 
dem Altar zu öffnen, an welchem der Hohepriester in brünstigem Gebet 
um Gottes Schutz niedergesunken" ist. 
Den lebendigsten Gegensatz zu der Gruppe Heliodofs bildet die 
linke Seite der Darstellung. Während im Mittelgrunde zwei in weite 
Mäntel eingehüllte Männer, die wir wohl als Priester auffassen dürfen, 
ruhig an einem Pfeiler lehnen und sich über den Vorgang besprechen, 
haben hinter ihnen zwei Jünglinge hurtig das Postament einer Säule 
erklommen, um sich in Sicherheit zu bringen und von oben besser 
zuschauen zu können: eine Gruppe von höchster Schönheit und Leben- 
digkeit. Den Vordergrund aber füllt ein dichtes Gedränge von Frauen 
und Mädchen aus dem Volke, die voll Entsetzen dem Vorgange zu- 
schauen, oder mit ausgestreckten Armen auf die himmlischen Rächer 
hinweisen. Von grösster Wahrheit ist namentlich die Mutter, welche 
instinktmässig ihre beiden Kinder fest an sich drückt, vor Allem aber 
die prachtvolle Frauengestalt, Welche auf die Kniee gesunken ist und 
indem sie dem Beschauer den Rücken zukehrt, sich mit beiden Armen 
von dem Ereigniss abwendet, dem sie doch, von unwiderstehlicher 
Macht getrieben, das angsterfüllte Antlitz zuwendet. Es ist mit Recht 
eine der berühmtesten Gestalten der rafaelischen Kunst, unendlich oft 
nachgeahmt, aber nie erreicht. Diese leidenschaftlich bewegten Gruppen 
finden endlich ihren Abschluss in der Gestalt Julius des Zweiten, der 
sich, wie die Päpste bei feierlichen Cerernonien gewohnt sind, auf 
seinem Thronsessel hereintragen lässt und über dem unruhigen Ge- 
wimmel des Volks hoch emporragend, in einfach verständlicher Weise 
die über dem bunten Gewirr des Lebens in der Sicherheit ihrer gött- 
lichen Sendung thronende Macht der Kirche darstellt, Es wäre thöricht, 
hier von Anachronismus zu sprechen. Die Kunst der gesammten Re- 
naissance hat stets die Zeitgenossen wie den Chor der griechischen 
Tragödie als theilnahmvolle Zeugen der Ereignisse eingeführt, in denen 
die Stimmung des Zuschauers zum Ausdruck kommt. Rafael hat von 
diesem Recht nicht bloss den maassvollsten Gebrauch gemacht, sondern 
darin das Mittel gefunden, seiner leidenschaftlich bewegten Darstellung 
den unerlässlichen Gegensatz zu geben, in dessen gehaltener Ruhe der 
Sturm des Geschehens um so wirksamer erscheint und die aufgeregte
	        
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