Porträt
J Lüius I_I.
Fornarina.
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der Echtheit. Während das Bild in der Tribuna der Uffizien, soweit
es nicht durch Restauration gelitten hat, von einer bis in's Kleinste
eindringenden Vollendung zeugt, besticht das in der Galerie Pitti be-
findliche Exemplar durch die leuchtend klare Farbe und die virtuosen-
haft freie Behandlung, so dass eine Anzahl bedeutender Stimmen ihm
den Preis zuerkennen. Doch scheint grade in dieser koloristischen
Behandlung, so vorzüglich sie ist, sich ein fremdes, mehr der venezia-
nischen Kunst zugchörendes Element zu verrathen. Ausserdem ist
beachtenswerth, dass das Bild in der Tribuna von den Rovere her-
stammt, von welchen es durch Erbschaft in den grossherzoglichen Be-
sitz nach Florenz gelangte. Die noch immer schwankenden Urtheile
der.angesehensten Kenner über diese beiden Bilder sind geeignet, dem
Kunstkritiker die stolze Selbstgewissheit zu vcrleiden und ihn zu be-
scheidener Zurückhaltung zu veranlassen.
In diese erste römische Zeit gehört sodann ohne Zweifel das
weibliche Bildniss der Galerie Barberini in Rom, welches als „Forna-
rina" seit langer Zeit bekannt ist und als Porträt der Geliebten RafaeYs
gilt. Wir wissen durch Vasari, dass der grosse Meister in Rom ein
Mädchen liebte, welches sich ihm zu eigen gab und bis an seinen Tod
in seinem Hause lebte. Der Name Fornarina und alle Legenden, die_
sich an die Gestalt dieser angeblichen schönen Bäckerin knüpfen, sind
Erfindungen des vorigen Jahrhunderts ohne alle historische Beglaubi-
gung. Was nun das Porträt der Galerie Barberini betrifft, so hat es
einigen Anspruch darauf, für die Geliebte RafaePs zu gelten. Auf dem
goldenen Armbande liest man den Namen des Meisters, der dadurch
Wohl sein intimes Verhältniss zu der Trägerin desselben andeuten
wollte. Sie selbst ist eine der mächtigen plastischen Gestalten römischer
Frauenwelt, deren Büste der Künstler untrerhüllt gemalt hat, nur den
Schooss bedeckt über einem rothen Kleid ein leichter Schleier, den
sie mit der Rechten heraufzieht, Während die Linke im Schoosse ruht.
Der koloristische Gegensatz des glühend gemalten Fleisches mit dem
Lorbeergebüsch, von welchem sie sich abhebt, ist von schöner Wirkung.
Uebrigens zeigt das Gesicht mit seinen vollen derben Formen einen
mehr sinnlichen als geistigen Reiz. In dieselbe Zeit gehört auch das
Brustbild des Bindo Altoviti in der Pinakothek zu München, eine
poetische Jünglingsgestalt, die man wiederholt mit Unrecht für Rafael
selbst ausgegeben hat. Das Gemälde hat leider durch Uebermalungen
stark gelitten. Etwas früher endlich ist ein männliches Porträt von
würdigem_geistvollem Ausdruck in der Ermitage zu Petersburg.
Liihkc. Italien. Itlnlerci. II. 19