Volltext: Geschichte der Italienischen Malerei vom vierten bis ins sechzehnte Jahrhundert (Bd. 2)

Jurisprudenz. 
Segnatura : 
della 
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Auf der vierten Wand, die ebenfalls ein Fenster enthält, sollte 
endlich die Jurisprudenz geschildert werden. Mit hoher Weisheit 
schlägt hier Rafael einen neuen Weg ein, indem er das Symbolische 
von dem Historischen sondert. In das Bogenfeld stellt er die drei oft 
schon von der Kunst geschilderten Kardinaltugenden der Weisheit, 
Stärke und Mässigung. Er giesst über diese drei von nackten Genien 
begleiteten Gestalten den ganzen Zauber seiner göttlichen Anmuth aus, 
so dass sie in harmonischem Zusainmenklange den Raum auf's Schönste 
füllen. Die Stärke und die Mässigung sitzen auf einer hohen Stufe, 
die Weisheit in ihrer Mitte auf einem zweiten erhöhten Unterbau. 
Dadurch gewinnt sie wie an innerer Bedeutung so auch an dominiren- 
der Erscheinung. Sie ist mit einem zarten hellen Gewande bekleidet, 
von welchem der rothe Mantel herabgesunken ist, um vom Schoosse 
in schönen Massen zusammengehalten zu werden. Mit der Linken 
stützt sie sich auf den Sitz und mit der Rechten ergreift sie den Spiegel, 
in dem sie mit sinnendem Blicke forscht und den ein reizender nackter 
Genius ihr darreicht, während ein anderer hinter ihr die brennende 
Fackel der Erkenntniss hält. Das holde jungfräuliche Köpfchen zeigt 
sie im Profil; mit dem von der Tradition verlangten Janushaupt hat 
Rafael sich äusserst geschickt abgefunden, indem er das nach hinten 
gewendete Greisengesicht durch das Kopftuch so glücklich mit dem 
Üebrigen zu verbinden wusste, dass man nur einen phantastischen Putz 
zu sehen glaubt. Hinter ihr sitzt, von ihr abgewendet, die Mässigung, 
welche mit anmuthiger Bewegung den Zaum, der ihr als Attribut zu- 
kommt, in beiden Händen hält. Das reizende Köpfchen ist von einem 
Tuch und einer Binde lieblich eingefasst, über das leichte Gewand 
ist ein Mantel geworfen, der in grossen Massen niederfällt und sich 
ausbreitet. Neben ihr sitzt ein Genius mitiwehendem Haupthaar, der 
mit der Rechten nach oben weist, während die Linke nach den zu- 
sammengekauerten Beinchen greift. So schön die beiden Gestalten 
sind, so lässt sich doch nicht-läugnen, dass ihre Schönheit eine zu 
allgemeine ist und die Charakteristik des geistigen Inhalts zu wünschen 
lässt. Besser ist dies dem Künstler mit der Stärke gelungen, die 
freilich leicht durch die grossartigere Wucht der Formen zu versinn- 
lichen war. Sie sitzt ebenfalls von der mittleren Figur abgewendet, 
aber indem sie den Blick des kraftvollen Kopfes auf sie richtet, ent- 
steht eine freie Lebendigkeit der Bewegung, die dem dargestellten Be- 
griff trefflich entspricht. Brust und Füsse des mächtigen Körpers sind 
von einem Panzer umschlossen, während der herabgeglittene Mantel in 
L (ibke, Italien. Malerei. II. 18
	        
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