Literatur.
Aretino.
rischen Banditen zu gedenken, welche emals die edle Buchdruckerkunst
missbraucht haben, des Pietro Aretino. Wie er in seinen Ragionamenti
und anderer ebenbürtiger Schand-Lectüre so ziemlich das Schlimmste
der schlüpfrigen Literatur des '15. Jahrhunderts überbietet, so lässt er
auch mit seiner vergifteten Feder als ehrabschneidender Strauchdicb
Alles hinter sich zurück, was die Poggio, Filelfo, Beccadelli, und wie
sie heissen mögen, in dieser Richtung je verbrochen haben. Vor seiner
Ruchlosigkeit zitterte die ganze gebildete Welt, und von seiner Frei-
stätte in Venedig aus brandschatzte er durch seine frechen Zumuthungen
die Fürsten nicht bloss Italiens. Trotzdem nannte die Zeit ihn den
Göttlichen (il divino) und der Papst, der Kaiser, der König von Frank-
reich, ja selbst Sultan Soliman, viele andre Fürsten nicht gerechnet,
überhäuften ihn mit Geschenken, goldenen Ketten, Jahrgehalten und
anderen Wohlthaten, um die Schmeicheleien seiner feilen Feder zu
erkaufen, noch mehr aber, um sich vor seinen giftigen Verleumdungen
sicher zu stellen. Als er Rom besuchte, nahm Julius III. ihn auf's
Glänzendste auf und umarmte sogar diesen literarischen Schandbuben,
er selbst aber liess eine Münze auf sich schlagen, die ihn als die
Geissel der Fürsten (nllagellum principum") bezeichnete. Das scham-
loseste aber war wohl, dass diese Schmutzseele sich erdreistete, an
Michelangelo einen aus Drohungen und Schmeicheleien widerlich ge-
mischten Brief zu schreiben, in welchem er den grossen Meister auf
die nunanständigen Nuditäten" in seinen Gemälden der sixtinischen
Kapelle aufmerksam machte und ihn ermahnte, dergleichen abzustellen!
Aber an der diamantenen Reinheit des edlen Künstlers scheiterte dieser
Versuch von Einschüchterung und Erpressung. Aretino's Existenz
allein ist ein furchtbarer Beweis von der moralischen Fäulniss, von
der sittlichen Indifferenz des damaligen Italien. Verschärft aber werden
alle diese Erscheinungen durch einen wichtigen Umstand: die Schmutz-
literatur der Humanisten des 15. Jahrhunderts hüllte sich in das Ge-
wand der lateinischen Sprache, war daher nur den gelehrten Kreisen
zugänglich; die schlüpfrigen Novellen, Komödien und Epopöen des
16. Jahrhunderts enthüllen allem Volke, besonders der Jugend und
den Frauen, ihre ganze Obscönität im durchsichtigen, Allen verständ-
lichen Idiom der Vulgärsprache. Damit waren alle Schleusen geöffnet
und der schlammige Inhalt wälzte sich verheerend über das ganze
Land, unaufhaltsam die Volksseele vergiftend.
Mit schmerzlicher Empfindung wendet sich das Auge des Kultur-
historikers von diesen Erscheinungen ab, die er freilich nicht umgehen