Volltext: Geschichte der Italienischen Malerei vom vierten bis ins sechzehnte Jahrhundert (Bd. 2)

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Buch. 
Kapitel, 
Rafael unter Julius 
steht ein bärtiger, in reiche antike Gewänder gekleideter Mann, der 
einen neugierig über die vorn das Bild abschliessende Brustwehr sich 
vorbeugenden jungen Mann auf den neben dem h. Augustinus knieenden, 
eifrig schreibenden Jüngling hinweist. So sind die einzelnen Glieder 
der Composition geistvoll miteinander verknüpft, die Massen lösen sich 
zu freiem mannichfaltigem Leben in rhythmischer Bewegung. 
Wenden wir uns nun zur linken Seite, so hat der Künstler hier 
wieder in ganz anderer Weise die Gruppen accentuirt. Denn auf der 
zweiten Altarstufe, dem drüben knieenden Jüngling entsprechend, 
schreitet, dem Beschauer den Rücken zukehrend, eine herrliche Mannes- 
gestalt im antiken Philosophenmantel zum Altare hin. Es ist, als Wolle 
er seine eigenen in den zu seinen Füssen liegenden Büchern verzeich- 
neten Lehren aufgeben, um sich überzeugungsvoll dem wahren Heile 
zuzuwenden. Mit seiner edlen Gelassenheit contrastirt auf's Schönste 
die leidenschaftliche Hingebung dreier Jünglinge neben ihm, welche 
knieend und sich herandrängend mit dem Ausdruck inniger Ergriffen- 
heit das Geheimniss der Eucharistie anbeten. Die zwei prächtigen 
Bischofsgestalten, welche mit der Miene ruhiger Üeberzeugung hinter 
ihnen stehen, schliessen die Gruppe ab. Man muss auch hier das Ganze 
wieder mit dem Gegenüber vergleichen, um das schöne Gleichgewicht der 
Massen und die freie Mannichfaltigkeit ihrer Gliederung zu bewundern. 
Während sich hier der Blick in den Hintergrund öffnet, WO mehrere Per- 
sonen, darunter ein Bischof und ein Mönch sich eifrig unterreden, folgt 
nun im Vordergrunde als zweiter Hauptpfeiler der Composition der 
herrlich-e, blondlockige Jüngling, der mit sanfter Wendung nach dem 
Altare hinzeigt und sich dorthin in Bewegung setzt, Während ein auf 
eine Pfeilerbrüstung sich stützender Gelehrter mit energisch indivi- 
duellem Kahlkopf ihn vergeblich auf eine Stelle in seinem geöffneten 
Buche aufmerksam zu machen sucht. Andere dagegen wenden sich 
neugierig voller Spannung den Ausführungen desselben zu. Man braucht 
in dieser ausdrucksvollen Figur nicht gerade einen Irrlehrer zu er- 
kennen; es genügt, ihn als Vertreter irdischer Gelehrsamkeit aufzu- 
fassen, welcher die von der Kirche gehütete und in der Monstranz 
versinnlichte Lehre gegenüber gestellt wird. Links im Hintergrunde 
hat Rafael dem edlen Fra Angelico durch Aufnahme in den Kreis der 
frommen Gemeinde seine Huldigung dargebracht. Wie das Gesetz 
rhythmisch bewegter Mannichfaltigkeit das Ganze durchdringt, erkennt 
man auch daraus, dass links eine liebliche Hügellandschaft, auf deren 
Höhe man eine Kirche erbauen sieht, rechts der mächtige Sockel eines
	        
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