Grablegung.
Endgültige Gestalt der
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äussersten Linken eine sich theilnehmend niederbeugende Frau ange-
bracht, die der rechts stehenden Gruppe ein Gegengewicht hält. Die
andere Frau, welche den Unterkörper Christi auf dem Schoosse hält,
umfasst ihn nicht mehr mit dem Arme, sondern giebt ihm mit ihrem
vorgeschobenen linken Fuss einen festeren Halt und wendet dagegen
den theilnahmvollen Blick auf die Madonna, indem sie ähnlich wie
Johannes ihren Schmerz durch die" gerungenen Hände ausspricht. Um
dies Motiv von dem des Johannes zu unterscheiden, ist dieser ganz
in sich versunken dargestellt und hebt die Hände bis zum Gesicht
empor. Auch ist die Stellung des Lieblingsjüngers, die auf der pariser
Zeichnung eine in der umbrischen Schule herkömmliche war, hier
durch den stärker zur Seite gewendeten linken Fuss schärfer markirt.
Da nun der Künstler obendrein die in der Mitte der ersten Gruppe
stehende weibliche Figur, so schön sie auch war, unterdrückte, so
gewann er für den gesammten Aufbau einen besseren Rhythmus, in-
dem die Composition in der Mitte sich öffnete und einen Blick in die
leicht angedeutete Landschaft frei liess, zu beiden Seiten aber von den
stehenden Figuren wie von festen Pfeilern eingerahmt wurde.
Was Rafael bewogen haben mag, diese Composition völlig bei
Seite zu stellen und statt der Trauer um den Leichnam vielmehr die
Grablegung zu wählen, ist schwer zu sagen. Wahrscheinlich drängte
es ihn, sich einmal in einer mehr dramatischen Auffassung zu ver-
suchen, und es mögen auf diese Stimmung die beiden Schlachtkartone
Lionardo's und Michelangelds eingewirkt haben. Die direkte Anre-
gung dazu gab ein Stich Mantegna's, der dasselbe Thema behandelt.
Dass Rafael ihn studirt hat, erkennen wir aus zwei Handzeichnungen
in der Akademie zu Venedig. Doch auch hier verfuhr der Künstler
mit der ihm eigenen Selbständigkeit in der Umbildung. Es galt nun
zu schildern, wie der Leichnam des Herrn von den trauernden Freunden
im Beisein der Angehörigen zur Gruft getragen wird. Ein älterer
Mann, rückwärts schreitend, hält mit dem Bahrtuch den Oberkörper
Christi, dessen Kopf an seiner Brust liegt und dessen rechter Arm
herabhängt, während die linke Hand von einer treuen Begleiterin sorg-
lich gehalten wird. Die Anstrengung des Trägers geht bis zur
äussersten Anspannung der Kräfte und steigert sich um so mehr, da
es gilt, die Felsstufen zu dem Grabeingang hinaufzusteigen. Man sieht
deutlich, wie der Fuss des rückwärts Schreitenden sich an dem Fels-
absatz hinauf fühlt. Der andere Träger, ein kräftiger Jüngling, hat
das Bahrtuch an den unteren Enden gefasst und legt sich mit dem