Volltext: Geschichte der Italienischen Malerei vom vierten bis ins sechzehnte Jahrhundert (Bd. 2)

Grablegung. 
Studien. 
251 
Bewegte sich RafaePs Thätigkeit bis dahin fast ausschliesslich im 
lyrisch Idyllischen, so sollte der Abschluss seiner florentiner Zeit ihn 
nun auch auf dramatischem Gebiet erproben. Atalanta Baglioni, die 
in der Bluthochzeit von Perugia ihren ritterlichen Sohn verloren hatte, 
bestellte, als Rafael noch in Perugia weilte, für die Kirche S. Fran- 
cesco daselbst eine Pieta, welche nun erst unter den Eindrücken der 
florentiner Zeit zur Ausführung kommen sollte. Kaum ein anderes 
Werk von Rafael lässt so viele Stadien der Entwicklung in einer Reihe 
von Entwürfen erkennen. Sein erster Gedanke war offenbar, das 
Werk im Anschluss an die damals noch in Perugia beündliche berühmte 
Composition seines Meisters (jetzt in der Galerie Pitti) zu gestalten. 
Die erste Form seines Entwurfs bietet eine Federzeichnung im Louvre 
(Br. 239); doch ist der Künstler auch hier weit entfernt von direkter 
Nachahmung. Schon dass er den Figurenreichthum der Composition 
beschränkt und aus den elf theilnehmenden Personen, welche dort den 
Leichnam Christi trauernd umgeben, deren sieben macht, deutet darauf 
hin. (Fig. 58.) Auch ist der Leichnam, der bei Perugino halb auf- 
recht auf einem vom Bahrtuch bedeckten Felsen liegt, hier ganz an- 
ders gewendet, so dass die Ruhe im Tode viel ergreifender zum Aus- 
druck kommt. Die Madonna hat den Kopf ihres Sohnes auf ihren 
Knieen gebettet, während eine der Freundinnen dem unteren Theil 
des Körpers auf ihrem Schoose ein weiches Auflager bereitet und mit 
dem linken Arme ihn umfasst, um ihn vor dem Herabgleiten zu 
schützen. Dabei blickt sie bekümmcrt zur Madonna auf, denn dieser 
sind, von der Erschütterung übermannt, die Sinne geschwunden, 
und ihre beiden Begleiterinnen fangen sie mitleidig in ihren Armen 
auf, während eine vierte jüngere Frau, hinter der_Gruppe stehend, 
in sanfter Neigung den Schleier der Madonna zart zu lüften sucht. 
Weiter links steht der bärtige, durch einen Turban charakterisirte 
Nicodemus und drückt mit ausgebreiteten Händen seine Theilnahme 
aus. Diese Gruppe ist anSchönheit des Aufbaues und edler Ab- 
stufung der Empfindungen ein wahres Meisterwerk und geht, wenn 
auch in einzelnen Zügen mit dem Werke Peruginds verwandt, doch 
entschieden über dieselbe hinaus. Man kann nur die etwas zu ge- 
drangte Anordnung der Madonnengruppe beanstanden. Rechts von 
dieser Gruppe steht isolirt die herrliche Figur des Johannes, der die 
Hände im tiefsten Kummer ringt und zum sanft geneigten lockigen 
Haupt emporhebt. Auch für diese Figur findet sich in Peruginds 
Composition ein Vorbild in der zu Haupten des Erlösers stehenden
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.