Literatur.
Die
Epen.
Ariosto.
die religiöse Glut eines Dante verlangen. Ebenso wenig darf man ein
achtes Rittcrthnm voll romantischer Schwärmerei, darf man klar aus-
geprägte und psychologisch durchgeführte Charaktere erwarten. Es
sind üppig berauschende Bilder, in welchen mittelalterliches Ritterthum
und Mönchswesen, antike Mythologie, griechische und römische Heroen-
Welt, christliche und heidnische Anschauungen, orientalische Feenmärchen
und allegorische Gebilde bunt durcheinander wirbeln. Diese phan-
tastische Welt zeigt uns der Dichter in der pikanten Beleuchtung eines
durchaus modernen Geistes, der an nichts glaubt, mit Allem sein über-
miithiges Spiel treibt, selbst die ernsten Vorgänge durch den Blitz
schalkhaften Muthwillens zum übermüthigen Scherz umdeutet und
einzig nur danach strebt, durch den Glanz der Schilderung, durch das
neckische Spiel der Episoden, durch bezaubernde Lebendigkeit der
Erzählung den Zuhörer zu fesseln, zu spannen und zu ergötzen. So
darf dann auch im Sinne der Zeit das Schlüpfrige, Obscöne der Dich-
tung nicht fehlen; auch dies Element ist mit Künstlerhand geschickt
eingestreut und erhält durch die wunderbare Anmuth der Form poe-
tisches Bürgerrecht. Wer weiss nicht, wie schwächlich die Helden
Ari0st's gezeichnet sind, wie niedrig meist seine weiblichen Gestalten
stehen, die fast nur sinnliche Begierden erregen, wenn sie nicht selbst
als ungesehlachte Reckinnen sich in den Kampf stürzen, wie Brada-
mante und Martisa; wer wird nicht zugeben müssen, dass keine tiefere
Idee, kein höherer geistiger Gehalt in seiner Dichtung zu finden ist?
Sie spiegelt aber so wie sie ist, den Geist der damaligen italienischen
Kultur der höheren Stände, jene zügellose, nur auf sinnlichen Genuss
gerichtete Tendenz, in welcher das grosse Streben einer Wiedergeburt
des Lebens sich verloren hatte, weil alle ethischen Grundlagen durch
die bodenlose Verderbtheit der Kirche und des Klerus systematisch
aufgelöst und zu einem geistreichen Sybaritismus, einem frivolen iro-
nischen Spiel mit dem Höchsten und Edelsten herabgekommen waren.
Man braucht nur den 28. Gesang des Orlando furioso zu lesen , der
von der Untreue der Weiber handelt, und man wird sagen müssen,
dass man in den Dichterschöpfungen keiner Nation ähnlich Anrüchiges
findet. Und doch ist und bleibt Ariost's Gedicht einer der glänzendsten
Sterne am Himmel der neueren Poesie und kein Ohr wird sich dem
bestrickenden Zauber dieser voll dahinrauschenden Oktaven entziehen
können.
Kein Wunder, dass solchen Dichtungen das völlig parodistische
Epos durch Berni und durch Folengds „Or1andinoa (1526) auf dem