Florentiner
Madonnen.
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die Gruppe der ohnmächtig hinsinkenden, von ihren Begleiterinnen
unterstützten Madonna, eine auf Perugino zurückweisende Composition.
Einen Gegenstand aus der Passion hat Rafael um dieselbe Zeit noch
einmal behandelt, in dem der Galerie zu Brescia angehörenden, ehemals
beim Grafen Tosi beündlichen Bilde. Es ist Christus mit der Dornen-
krone auf dem edlen Haupte, mit der Linken auf seine Wunde zeigend
und die Rechte zum segnen erhebend, den Purpurmantel über die Schul-
tern geworfen. Das kleine Bild ist von miniaturhaft feiner Ausführung.
Immer starker macht sich in den folgenden Arbeiten der Einfluss
der ilorentiner Kunst geltend. Eine Reihe von Madonnenbil-
dern spricht namentlich das zunehmende Loslösen aus der alterthüm-
lichen Befangenheit der umbrischen Schule aus. Kein Thema hat
Rafael während dieser Epoche so gefesselt, wie das reinste und innigste
der Mutterliebe. Es wäre aber ein Irrthum, anzunehmen, dass er
zuerst es gewesen, der dasselbe aus der feierlichen Auffassung der
kirchlichen Tradition in die schlichte Anmuth des einfach Menschlichen
übertragen habe. Schon die Florentiner des '15. Jahrhunderts, Fra
Filippo an der Spitze, dann vor Allen Filippino Lippi und Sandro
Botticelli hatten die Madonna ihres Nimbus als Himmelskönigin ent-
kleidet und dafür in ihr die allgemein menschliche Empfindung der
Mutterliebe ohne alle kirchlichen Beziehungen zur Geltung gebracht.
Irrig wäre es auch, zu meinen, unter jenen Malern sei das von der
Mutter angebetete, am Boden liegende Kind das Hauptmotiv gewesen.
Diese Auffassung, die sich an den Moment der Geburt des Christus-
kindes knüpft, war vielmehr in der umbrischen Kunst zu Hause und
wird in Florenz fast ausschliesslich von Lorenzo di Credi vertreten.
Aber jenen früheren Horentinischen Madonnen haftet vielfach ein bürger-
lich hausbackener Charakter an, der durch starkes Herausheben des
Zeitkostüms noch verstärkt wird. Aus dieser immerhin noch befangenen
Auffassung die Kunst zur reinen Höhe eines einfach edlen Stiles em-
porgehoben zu haben, ist das unvergängliche Verdienst Lionardds.
An ihn knüpfte Fra Bartolommeo an, dessen Madonnen durch Hold-
seligkeit der Empfindung, Adel der Linienführung und Freiheit der
Composition einen unvergänglichen Werth behaupten. Diese beiden
Meister sind es daher auch, welche auf die gleichgestimmte Seele
Rafaefs damals den grössten Eindruck machten, während die herbe,
leidenschaftliche Kunst Michelangelds ihm noch keine Berührungs-
punkte bot. Das Studium Lionardds verräth sich nicht bloss in der
oben erwähnten Madonna di Terranuova, sondern noch deutlicher in