Fresko in
Perugia.
Severo
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Museum zu Berlin. Schon die Form des Rundbildes, welche er hier
gewählt, ist eine in Florenz herkömmliche und beliebte. Die Com-
position freilich ist acht rafaelisch. Man sieht in einer reizenden La11d-
schaft mit waldigen Felsgriinden, an deren Abhängen links eine Stadt
mit Mauern, Thürmen und Kirchen sich gebettet hat, die h. Jungfrau
sitzen, liebevoll auf das Kind niederblickend, das sie auf dem Schoosse
halt. Der Kleine liegt behaglich ausgestreckt und richtet sich halb
auf, um ein Spruchband mit dem „ecce agnus deia in Empfang zu
nehmen, welches der Johannesknabe ihm in inniger Verehrung dar-
gereicht hat. Die Linke streckt die Madonna, wie sanft abwehrend,
gegen einen dritten Kleinen aus, der an ihr linkes Knie sich schmiegt
und mit ernster Aufmerksamkeit die Gruppe betrachtet. Vielleicht ist
hier der jugendliche Evangelist Johannes gemeint. Diese, jedenfalls
etwas rathselhafte Figur, die dem pyramidalen Aufbau der Gruppe
etwas locker angefügt ist, macht den Eindruck eines nachträglichen
Zusatzes, der zu Gunsten einer besseren Ausfüllung des Raumes vor-
genommen wurde. Das Bild ist daher in der Reihe der damaligen
Schöpfungen RafaePs schon deshalb von besonderem Werthe, Weil es
einen merkwürdigen Beleg von den rastlosen Bemühungen des Künstlers
giebt, im Anschluss an die Vorbilder Lionardds und Fra Bartolommeois
sich in der freien Durchbildung pyramidal aufgebauter Gruppen zu
üben. Dazu kommt, dass das Bild einen tieferen Farbenton hat als
die meisten andren Schöpfungen aus Rafaefs florentiner Zeit. Es
erinnert in der dunklen, meisterlich durchgeführten Karnation, in der
Art seiner Modellirung an Lionardds Werke. Auch das liebliche
Oval des Kopfes der Madonna mit den vollen, um den Mund etwas
feisten, höchst individuellen Formen gemahnt an die Schöpfungen jenes
Meisters, ja die Madonna erscheint fast wie eine Schwester der Mona
Lisa. Das schöne Werk, das durch die meisterlich ausgebildete Land-
schaft den Zauber idyllischen Friedens erhält, dürfte gegen 1505 ent-
standen sein. Eine ungemein geistreich mit der Feder hingeworfene
Skizze, im Museum zu Lille (Br. 46) enthält die Hauptfigur der Madonna
mit dem Kinde und dem kleinen Johannes. Der andere Knabe fehlt,
dagegen sind ein Engel und ein betender Heiliger hinzugefügt. Viel-
leicht ist auch das kleine Porträt eines jungen. Mannes, aus der Casa
Riccio in Florenz, jetzt in der Pinakothek zu München, ein Werk
dieser Epoche, wenn es wirklich von Rafael herrührt. Die gar zu klein-
liche Zeichnung, die besonders in dem Munde etwas Mühsames hat,
sowie eine gewisse Trockenheit des Ausdrucks, lassen es indess als