nach Florenz.
Uelaergang
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Diesem Drange zu genügen, begab sich, wie man annimmt, der
einundzwanzigjahrige Künstler im Herbst desselben Jahres nach Florenz.
Doch kann es keinem Zweifel unterliegen, dass er viel früher, wahr-
scheinlich schon 1502, wenn auch nur vorübergehend, das reiche Kunst-
leben der Arnostadt aus eigener Anschauung kennen gelernt hat. War
doch 1502 auch sein Meister Perugino wieder in Florenz, wo er seine
Werkstatt besass, und fehlt es nicht an Beweisen, dass beide Künstler
ferner in "nahem Verkehr mit einander blieben, Welche Stadt hätte
Rafael mehr anziehen können, als diese Wiege der Kunst, vor allem der
Malerei, von deren Ruhm die Welt erfüllt war bis in die fernsten
Thäler des stillen Ümbriens, von deren berühmten Meistern Perugino
aus eigner Anschauung zu berichten wusste, und die selbst schon in
der Reimchronik seines Vaters Giovanni Santi bewundernde Erwähnung
gefunden hatten, An Empfehlungen konnte es dem jungen Meister
nicht mangeln, wenn auch der von Bottari veröffentlichte Brief, welchen
die Schwester des Herzogs von Urbino, Johanna di Rovere, ihm an
Pietro Soderini, den Gonfaloniere von Florenz mitgegeben haben soll,
ohne Zweifel auf blosser Erfindung beruht. Die beste Empfehlung
brachte Rafael selbst in seiner eignen, von der Natur so reich begabten
Persönlichkeit mit.
Grade damals war Florenz bewegt von dem Wettstreit Lionardds
und Michelangelds in den Arbeiten für den Saal des Palazzo Vecchio.
Jene beiden Kartone, welche die ganze florentinische Welt in Auf-
regung versetzen sollten, entstanden grade damals. Mit welch' ge-
spanntem Interesse mag Rafael diese bewunderten Schöpfungen be-
trachtet haben! Aber auch die ganze Vergangenheit der {lorentinischen
Kunst von den zahlreichen Fresken Giotto's und seiner Schule bis zu
den Arbeiten eines Ghirlandajo trat mit überwältigender Fülle vor ihn
hin. Vor Allem waren es die bahnbrechenden Schöpfungen Masaccids in
der Cappella Brancacci, welche seine Bewunderung erregten. Vor diesen
ersten grossen Manifestationen des fiorentinischen Lebensgefühls ging
ihm eine neue Welt, ein tieferes Verständniss der Natur auf. Wie er
diese Werke in sich aufgenommen, davon hat er später in seinen
vatikanischen Fresken dankbares Zeugniss abgelegt.
Unter den lebenden Künstlern wird er besonders Lionardo, der
damals auf der Höhe seines Ruhms stand, sich verehrungsvoll zugeneigt
haben." War doch sein Meister Perugino mit dem Schöpfer des Abend-
mahls in derselben Schule herangewachsen; hatte doch sein Vater in
der Reimchronik diese beiden als die vorzüglichsten Maler damaliger