Volltext: Geschichte der Italienischen Malerei vom vierten bis ins sechzehnte Jahrhundert (Bd. 2)

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Buch. 
Kapitel. 
HafaePs 
Jugend. 
gegen einander! Ebenso viel schöner ist die Gestalt J oseph's, der bei 
Perugino im Profil dargestellt ist, Während Rafael die Vorderansicht 
in feiner Bewegung markirt. Vor allem aber Maria, die ebenfalls aus 
einer gewissen unbeholfenen Befangenheit hier zu edelster jungfräulicher 
Anmuth befreit ist. Dieselbe höhere Schönheit, verbunden mit warmerer 
Theilnahme spricht sich in den Umstehenden aus, namentlich in der 
herrlichen J ungfrauengruppe. Auf der Seite der Männer überwiegt 
ebenfalls bei Rafael das jugendliche Element; will man aber besonders 
deutlich sehen, wie hoch er damals schon seinen Meister überllügelt 
hat, so muss man den seinen dürren Stab zerbrechenden Jüngling in 
beiden Compositionen vergleichen. Wie hölzern und zaghaft ist die 
Bewegung bei Perugino, wie wundervoll frei und lebendig bei Rafael, 
mit welcher Meisterschaft hat letzterer diese köstliche Figur für seine 
Composition verwerthet, indem er sie dominirend in den Vordergrund 
rückte! Wie viel mannigfaltiger, reicher und schöner sind ferner bei 
diesem sämmtliche Gewänder durchgebildet und alle Stellungen be- 
lebt, während bei Perugino in alledem die so oft geistlos wiederholten 
Motive wiedergegeben werden. Keine Frage, dass es iiorentinische 
Kunstanschauungen sind, die wir in diesen Zügen eines höheren, freieren 
Lebens zu erkennen haben. Endlich hat selbst das Format des Bildes 
bei Rafael eine Umgestaltung zu höherer Schlankheit erfahren, und 
der den Hintergrund beherrschende Kuppelbau, bei Perugino noch 
ziemlich unentwickelt, zeigt bei Rafael jene luftige Säulenhalle, jenen 
leicht gegliederten Oberbau, in welchen man die edlen Formen der 
beginnenden Hochrenaissance erkennt. Auch die Voluten, die den 
Unterbau mit dem Tambour der Kuppel vermitteln, übrigens ein 
Motiv von zweifelhaftem Werthe, beweisen, wie Rafael selbst in den 
architektonischen Formen der Entwicklung der Zeit gefolgt war. Man 
möchte glauben, der junge Künstler habe irgendwo einen Bau oder 
Zeichnungen seines berühmten Landsmannes Bramante gekannt. Die 
Ausführung des Bildes steht auf der Höhe des Entwurfs und der Zeich- 
nung. Es hat jene warmen, klaren, goldigen Töne, die wie ein Duft 
die Gestalten umliliessen und als ideale Stimmung uns berühren. Be- 
sonders nach glücklicher Beseitigung der entstellenden Uebermalung 
wirkt das Bild in seiner milden Harmonie beglückend wie ein heiterer 
Frühlingstag. Rafael hatte mit dieser Schöpfung sich selbst seinen 
Meisterbrief geschrieben. Die Schule Peruginds konnte ihm nichts 
mehr bieten. Es drängte ihn hinaus in die freie Welt, seine An- 
schauungen zu erweitern und zu bereichern.
	        
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