Volltext: Geschichte der Italienischen Malerei vom vierten bis ins sechzehnte Jahrhundert (Bd. 2)

Rafael 
Siena. 
Sposalizio. 
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gegeben ist. Allein die etwas ängstliche Art der Zeichnung und 
SchraHirung hat nichts von der Hand RafaePs, dessen Zeichnungen 
schon damals grosse Feinheit, Klarheit und frischen Fluss verrathen. 
Die Zeichnung ebenso wie das reizende Bildchen der drei Grazien bei 
Lord Ward in L on do n wird irgend einen andren umbrischen- Künstler 
zum Urheber haben, der so fest von der Anschauungsweise der Schule 
umstrickt war, dass er den antiken Gestalten völlig umbrische Gesichts- 
züge geliehen hat. Auf dem Bildchen bei Lord Ward weicht nament- 
lich auch der Hintergrund von RafaePs landschaftlichen Compositionen 
ab. Pinturicchio gab übrigens seinem freundschaftlichen Verhaltniss 
zu Rafael einen Ausdruck in dem Fresko der Libreria, Welches die 
Bestattung der h. Katharina von Siena darstellt. Man sieht unter den 
Leidtragenden den jugendlichen Künstler mit einer Kerze in der Hand, 
neben ihm seinen älteren Freund, der ihn liebevoll anblickt. 
„..I"'De11 Abschluss dieser ersten Epoche bildet das schöne Gemälde 
des Sposalizio, wiederum ein Auftrag für Citta di Castello, und zwar 
für den Altar des h. Joseph in S. Francesco im Jahre 1504 gemalt. 
Inder französischen Zeit 1798 von einem General lombardischer Ab- 
kunft entführt, gelangte das Bild später in die Brera. Perugino hatte 
neun Jahre vorher denselben Gegenstand für den Dom von Perugia 
ausgeführt (I, 438 fg).Es ist dasselbe Bild, welches man im Museum 
zu Caen sieht. Auch hier hat Rafael sich im Wesentlichen der Com- 
position seines Meisters angeschlossen, aber er ist voll Selbständigkeit 
weit darüber hinausgegangen und hat _die Composition zu solch' freier 
Anmuth und Lebendigkeit entwickelt, Qdass es entschieden unrecht ist, 
wenn Crowe und Cavalcaselle sagen, RafaePs Bild weiche von Peru- 
gino's Anordnung nur darin ab, dass es die linke Gruppe nach rechts, 
die rechte nach links versetzeJf Wohl ist dies die wesentlichste Aende- 
rung, aber bei genauerer Betrachtung sieht man sofort, dass keine 
Gestalt dieselbe ist, dass vielmehr jede Figur mit einer bei einem so 
jungen Künstler bewundernswerthen Freiheit umgestaltet ward. (Fig. 46.) 
Eine feinere Anmuth, freiere Bewegung, edlere Durchbildung beseelt 
jede Figur. Das gilt vor Allem von den Hauptgestalten, die bei Peru- 
gino im Vergleich mit Rafael fast etwas Spiessbürgerliches haben. 
Wie steif und gespreizt steht dort der Hohepriester, wie ungeschickt 
fasst er den Arm der Madonnannd das Handgelenk Josephs; wie 
lebensvoll und dabei doch würdig ist bei Rafael seine freiere Stellung 
und das leicht auf die Seite geneigte Haupt mit dem prachtvoll herab- 
fliessenden Barte, wie natürlich führt er die Hände der Verlobten 
Lübke, Italien. Malerei. II. 15
	        
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