Krönung
der Madonna.
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Auch für Perugia erhielt jetzt Rafael den ehrenvollen Auftrag
zu einem grösseren Altarwerk, indem Maddalena degli Oddi 1502 bei
ihm eine Krönung der Madonna für S. Francesco bestellte. In der
napoleonischen Zeit nach Paris entführt, gelangte das Bild sammt seinen
Predellen bei derpRückgabe der geraubten Kunstwerke in die Galerie
des Vatikan. Auch in diesem schönen Werke herrscht noch in Aufbau
und Durchführung die Weise Perugino's, aber zu einer Anmuth und
Reinheit der Empfindung gesteigert, die man nur selten in den besten
Werken seines Meisters antrifft. Dazu kommt eine Freiheit und Fülle
der Gewandmotive, die sich fast völlig von den mit vielen kleinen
rundlichen Falten überladenen Gewändern Peruginds losmacht und der
Vermuthung Raum giebt, dass damals schon Rafael einen Blick in die
florentinische Kunstwelt geworfen haben muss. Oben in den Wolken
thront neben Christus die Madonna, die demüthig das Haupt neigt,
welches ihr Sohn mit der himmlischen Krone schmückt. Zu diesen
Figuren besitzt das Museum zu Lille die Aktstudie, die wir oben unter
Fig. 44 mitgetheilt; die Gewandungen arbeitete er auf andren, in der
Akademie zu Venedig befindlichen Blättern (Br. 89. 100) durch. Zu
beiden Seiten schweben musizirende Engel, zu welchen man die Studien-
blätter in Oxford (Br. 3) findet, während unten die Apostel mit mannig-
fachem Ausdruck des Staunens den offenen Sarkophag umgeben, aus
welchem Blumen emporspriessen. In der Mitte die sehnsuchtsvoll auf-
blickende Jünglingsgestalt des h. Thomas, dem die Madonna ihren
Gürtel zurückgelassen hat, zu beiden Seiten in schön bewegten und
doch feierlich gestimmten Gruppen die Apostel, durchweg noch peru-
gineske Typen, aber lebensvoller bewegt und in freierem Rhythmus ge-
ordnet, als sein Lehrer es bei demselben Gegenstande vermocht hatte.
Die Ausführung des herrlichen Bildes zeigt in der sorgfältigen Be-
handlung und harmonischen Färbung die gediegenen Eigenschaften
der umbrischen Schule. Die Altarstaffel enthält in drei kleinen Bild-
chen die Verkündigung, Anbetung der Weisen und Darstellung im
Tempel. Auch hier erkennt man deutlich, wie Rafael sich noch inner-
halb der eingelernten Formen, aber doch schon mit voller Freiheit
bewegt. Bei der Verkündigung, deren Entwurf sich im Louvre
(Br. 266) befindet, ist der leere Raum zwischen dem in gellügeltem
Lauf herbeieilenden Engel und der still mit ihrem Gebetbuch da-
sitzenden Madonna durch eine in meisterlicher Perspektive durchge-
führte Halle mit prächtigen Compositasäulen und durch den Blick in
eine freundliche Hügellandschaft auf's Schönste belebt. Man erkennt