Madonnen.
Früheste
217
jllvs liegt in der Natur einer so normalen Entwicklung wie die
RafaeYs, dass er mit der gläubigen Hingebung jugendlicher Begeisterung
zuerst die Formen seines verehrten Meisters getreulich nachahmte. In
ganz ähnlicher Weise bemerkt man dasselbe bei einem mit Rafael
innig verwandten Meister einer anderen Kunst, bei Mozart. WVenn
damals schon ein Unterschied hervortritt, so ist es höchstens der, dass
die religiösen Aufgaben dem Jünglinge wohl noch ganz anders Herzens-
sachen waren als dem reifen Meister, und dass seine Gestalten des-
halb einen geheimnissvollen Zug rührender Seelenschüchternheit ver-
rathen. Das gilt namentlich von einzelnen seiner frühesten Madonnen-
bilder. Keine Schule hat so oft und mit solcher Hingebung dies
Thema in der ganzen Innigkeit idyllischen Glückes geschildert wie
die umbrische. Es sind meistens Tafeln bescheidenen Maassstabes, wie
man sie, in zierlichen Rahmen gefasst, als Altarbilder für die Haus-
andacht zu besitzen liebte. RafaePs Madonnen aus dieser Zeit haben
einen fast noch kindlichen Hauch von Jungfraulichkeit. Unschulds-
voll schlagen sie die Taubenaugen nieder, blicken in das Gebetbuch
oder auch liebevoll auf das Kind. Die Formen haben etwas knospen-
haft Geschlossenes, namentlich gilt das von dem bisweilen fast zu
kleinen Mündchen. Der holdeste Seelenfriede einer Jugendzeit, welche
die Welt nur aus dem klaren Spiegel des eignen schönen Gemüthes
kennt, ist mit unsäglichem Zauber darüber ausgegossen. j
Alle diese Bilder sind Kniestücke und zeigen die h. Jungfrau
meist sitzend, auch wohl stehend in landschaftlichem Grunde. So in
der. Galerie zu Berlin ein kleines Bild mit der sitzenden Madonna,
die, wie gewöhnlich in diesen frühen Bildern, in der rechten Hand
ein Gebetbuch hält, in welches sie blickt, während sie mit der andern
Hand leicht das Füsschen des auf ihrem Schoosse sitzenden Kindes
berührt. Das Christkind blicktizu ihrem Buche hinauf und hält einen
Stieglitz im linken Händchen. Die Composition ist überaus anmuthig
in den Linien, das rothe Kleid der Madonna, der blaue Mantel, der
das liebliche Köpfchen einrahmende Schleier zeigen in ihren gold-
gestickten Säumen und andern Zierrathen die liebevollste Sorgfalt der
Ausführung; die Farbe hat den tiefen Goldton und leuchtenden
Schmelz der umbrischen Schule, die Köpfe der Madonna und des Kindes
verrathen ein eigenthümliches Ringen mit der Form, das noch nicht
ganz zu freiem Flusse sich entfaltet. Völlig verwandt ist in derselben
Sammlung eine Madonna, die mit beiden Händen das Kind auf dem
Schoosse hält, welches die Rechte mit einer oft wiederholten Bewegung