Volltext: Geschichte der Italienischen Malerei vom vierten bis ins sechzehnte Jahrhundert (Bd. 2)

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Buch. 
Kapitel. 
RafaeFs 
Jugend. 
Gebirgsluft, in der traulichen Einsamkeit dieser Höhe, deren Abhänge 
damals noch dunkler Eichenwald und üppige Wiesengründe bedeckten, 
war Alles dazu angethan, ein sinniges Gemüth mit jenem traumhaften 
Glück stiller Sammlung zu erfüllen, das wie ein ungestörter Frieden 
auf den Waldhöhen der umbrischen Berge liegt. Das Städtchen selbst 
war aber damals nicht so ausgestorben wie heute. Die Grafen von 
Montefeltro, welche kurz vorher den Herzogstitel erlangt hatten, hielten 
hier Residenz. Ein Jahr vor RafaePs Geburt war Federigo von Monte- 
feltro gestorben, dessen Hof ein Mittelpunkt edler Bildung gewesen. 
Er hatte den prächtigen Palast in den edlen Formen der Frithrenaissance 
erbaut, der jetzt noch als eins der vollkommensten Werke jener Zeit 
bewundert wird. Sein Nachfolger Guidobaldo, mit Elisabeth Gonzaga 
vermählt, war nicht minder ein Freund der Künste und Wissenschaften, 
und der Hof von Ürbino ward unter ihm das Muster eines durch edle 
Sitten ausgezeichneten Fürstenhofes. Noch jetzt taucht in den Schilde- 
rungen von Castiglionds Cortegiano jenes glänzende Leben wie ein 
Wunderbild vor uns auf.  
Rafaefs Vater hatte früher in dem Städtchen Colbordolo, seinem 
Geburtsort, gewohnt, und war 1450 nach dessen Zerstörung durch Sigis- 
mondo Malatesta mit seinen Eltern nach dem geschützteren Urbino 
gezogen. Dort hatte er sich der Malerei gewidmet, ein Hauswesen 
begründet und sich um 1482 mit Magia, der Tochter des Kaufmanns 
Battista Ciarla vermählt. Sie schenkte ihrem Gatten noch drei Kinder, 
die aber früh starben. So wuchs der Knabe, von zarter Mutterliebe 
bewacht, heran bis zu seinem achten Lebensjahre, wo ihm die Mutter 
durch den Tod entrissen wurde (1491). Nach kaum acht Monaten 
suchte der Vater sich eine neue Hausfrau und verband sich mit Ber- 
nardina, der Tochter des Goldschmiedes Parte. Der kleine Rafael 
scheint von der Stiefmütter nicht eben liebevolle Behandlung erfahren 
zu haben, und geradezu drückend wurde seine Lage, nachdem er schon 
1494" auch seinen Vater durch den Tod verloren hatte. Auch der 
Bruder seines Vaters, der Priester Don Bartolommeo Santi, scheint 
sich als Vormund seiner nicht sonderlich angenommen zu haben. Da- 
gegen knüpfte sich ein Verhältniss inniger Liebe zu dem Oheim mütter- 
licherseits Simone Ciarla, der väterlich für den Knaben sorgte und ihn 
später nach Perugia zu Meister Pietro Perugino in die Lehre brachte. 
Dass diese Uebersiedltmg gleich nach dem Tode des Vaters erfolgt 
Sei, wie man früher annahm, wird durch Urkunden, welche die An- 
wesenheit RafaePs bis 1499 in Urbino bei Gelegenheit der Streitig-
	        
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