208
Buch.
Kapitel.
Die
Florentiner.
übrigen
lerischen Kreise der Arnostadt in solchem Grade, dass auch Pontormo,
so jung er immer war, davon Einilüsse empfangen konnte. Entschei-
dender war für ihn jedenfalls, dass er 1512 in die Werkstatt Andrea's
del Sarto eintreten durfte, denn kein Meister hat auf ihn durchgrei-
fender gewirkt, als dieser. Die Entwicklung des jungen Künstlers
nahm aber einen so raschen Fortschritt, dass er die Eifersucht seines
Meisters erregte, der ihn deshalb nicht lange bei sich behielt. Damals
entstanden grade jene Fresken aus dem Leben des Philippus Benizzi
in der Annunziata und manche andere Werke, an deren Ausführung
Andrea den jungen Pontormo Theil nehmen liess. Zu der Verkündi-
gung, Welche der Meister damals für die Mönche von S. Gallo malte,
liess er die Predella sogar von seinem Schüler selbständig ausführen.
Damals war es auch, wo bei den wegen der Erhebung Leo's X. her-
gerichteten Schaug-eprängen Pontormo's Geschicklichkeit in der Aus-
Inalung der Triumphwagen mit ihrem reichen, allegorischen Apparat
verwendet wurde. Auch bei dem nachmaligen Einzug Leo's X. wurde
seine Kunst in Anspruch genommen. Wie hoch die Renaissancezeit
solche Dekorationen schätzte, geht aus der wortreichen Schilderung
Vasarfs, die er all' diesen Dingen widmet, zur Genüge hervor. Bald
sollte auch ein bedeutender Auftrag zu einem monumentalen Werke
dem jungen Künstler zu Theil werden, als er im Wetteifer mit Francia
Bigio und Andrea del Sarto mit einer Arbeit! für die Vorhalle der
Annunziata betraut wurde. Er malte hier die Heimsuchung (Fig. 43)
und kam in diesem Werke durch freie Lebendigkeit der Anordnung,
Kraft und Schmelz des Kolorits, Mannigfaltigkeit und Schönheit der
Gestalten den Meisterwerken Andrea's so _nal1e wie keiner der Zeit-
genossen. Das Werk wurde nach Vasari im Jahr 1516, nach der
Chronik des Klosters ein Jahr früher gearbeitet und dem jungen
Künstler, der damals im dreiundzwanzigsten Jahre stand, mit elf Scudi
bezahlt.
Fortan gehörte Pontormo zu den angesehensten Meistern von
Florenz, und wie hoch er geschätzt wurde, beweisen nicht bloss Vasarfs
Lobsprüche, sondern mehr noch die zahlreichen Aufträge für kirchliche
WVerke und Bildnisse, sodann die Betheiligung an den meisten monu-
mentalen Schöpfungen der damaligen Zeit, besonders an den Fresken
in Poggio a Cajano. Aber schon hier tritt ein rascher Verfall seines
Stiles empündlich zu Tage. Auch an der künstlerischen Ausstattung
des Hauses Borgherini war er neben Andrea bctheiligt. Zwei dieser
kleinen, tigurenreichen Bilder aus dem Leben Joseph's befinden sich