Andrea del Sarto.
Fresk en.
Spätere
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entspricht rechts die ausdrucksvolle herrlich drapirte Gestalt eines Zu-
schauers, der mit der Geberde besorgnissvollen Nachdenkens, das Kinn
in die Hand stützend, dieser Tragödie beiwohnt. Auch die Erscheinung
des Engels vor dem opfernden Zacharias ist von ergreifender Lebendig-
keit. Wie ehrfurchtsvoll betritt der göttliche Bote das Heiligthum!
wie voll Scheu am Fusse des Altares fast versteinert steht die wunder-
volle Manteltigur des Priesters! wie markig im Stil der grossen freien
Kunst sind die wenigen Zuschauer gezeichnet! Wahrlich, vor diesen
Werken begreift man das Wort Michelangelds, der einmal mit Hin-
blick auf Andrea boshaft zu Rafael gesagt haben soll: „Ich Weiss in
Florenz ein Bürschlein, das dich waidlich schwitzen machen sollte,
würden ihm einmal grosse Aufgaben zu Theilla In der That, nur
mit Rafael kann man diese vollendeten Schöpfungen vergleichen.
Im folgenden Jahre 1524 beschloss Andrea den Cyklus durch die
lebensvolle Geburt des Taufers, in welcher er den reichen Apparat,
den die florentiner Künstler auf solche Wochenstubenscenen zu ver-
wenden pdegten, auf das Nothwendigste beschränkt, dies aber in voll-
endeter Lebenswahrheit und Schönheit giebt. Zu der überaus prag-
nanten Gestalt des am Lager sitzenden und den Namen des Kindes
aufschreibenden Zacharias sieht man im Louvre (Br. 120) die geniale
Kohlenzeichnilng. Den Schluss des Cyklus bildet sodann die Heim-
suchung, die an einfacher Gewalt des Ausdrucks sowie an freier
künstlerischer Beherrschung der Darstellungsmittel wieder zum Besten
der Reihenfolge gehört. Ganz neu und eigenthümlich ist die mit Staunen
gemischte Herzlichkeit, mit welcher die altere Frau die gesegnete
jüngere Freundin tief ausholend betrachtet.
Um den Meister nach dieser Seite seiner Thatigkeit im Zusam-
menhange zu würdigen, fügen wir seine übrigen Freskobilder hier an.
Schon 1521 hatte er in der mediceischen Villa Poggio a Caj ano den
Empfang der Tribute durch Cäsar gemalt, eine Darstellung von glan-
zender Pracht und festlicher Heiterkeit, bei grossem Geschick in der
Anordnung und der koloristischen Durchführung. Für das Noviziat
des Klosters der Serviten (Annunziata) malte er eine Pieta, jetzt in
der Sammlung der Akademie (S. d. gr. Gem. 61); ein Werk von
ergreifendem Ausdruck und an Rafael erinnernder Schönheit, fein und
klar im Ton. Ebendort sieht man ein in Terra verde leicht hinge-
worfenes Fresko mit köstlichen Scenen der Mildthätigkeit, von einer
Heiligen in einem Spital ausgeübt. Für dasselbe Kloster malte er
auch an einer Mauer des Küchengartens zwei Fresken aus der Parabel