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Buch.
Kapitel.
übrigen
Florentiner.
beiden köstlichen Studienköpfen des Louvre (Br. 134, 135) sich aus-
spricht, beherrschte sie den schwachen und gutherzigen Künstler völlig,
und nicht zu seinem Heile. Sie war damals noch mit dem Hutmacher
Carlo Recanati verheirathet, nach dessen Tode sie Andrea's Gattin
wurde. Es scheint, dass sie durch anspruchsvollen Aufwand den Künstler
um so mehr in Verlegenheit brachte, als dieser bei seinem schüchternen,
bescheidenen Wesen für seine Arbeiten nur geringen Lohn zu erhalten
vermochte und seine herrlichsten Schöpfungen meist um sehr dürftige
Honorare ausführte. Dass er trotzdem fast immer mit voller Anspan-
nung sein Bestes gab und mit Ausnahme seiner letzten Zeit, wo bisweilen
eine flüchtigere Behandlung sich bemerklich macht, wahre Meisterwerke
schuf, ist ein Beweis von seinem ächt künstlerischen Naturell. Wie
sehr auch die leidenschaftliche Liebe zu der wohl etwas leichtsinnigen
Frau seine bürgerlichen Verhältnisse gestört hat, auf sein künstlerisches
Schaffen hatte sie eher einen förderlichen als schädlichen Einfluss.
Im Jahre 1518 schienen die ausseren Verhältnisse Andrea's einen
glänzenden Umschwung erfahren zu sollen. König Franz I. hatte einige
Bilder des Künstlers kennen gelernt und war durch dieselben zu einer
solchen Bewunderung des Meisters hingerissen, dass er ihn unter glän-
zenden Bedingungen zu sich berief. Andrea, der in Florenz stets mit
Noth zu kämpfen hatte, folgte dem Ruf und ging im Mai desselben
Jahres, mit Reisegeld durch des Königs Agenten reichlich versehen,
nach Frankreich. Der König empfing ihn in ehrenvollster Weise, be-
schenkte ihn mit Geld und Kleidern und trug ihm sofort auf, den im
Februar geborenen Dauphin zu malen. Diese Arbeit errang in so
hohem Grade den Beifall des Königs, dass er den Künstler, der in
Florenz für jedes seiner grossen Wandbilder nur 10 Scudi erhalten
hatte, mit 300 Goldstiicken belohnte. Eine Reihe anderer trefflicher
Werke schuf der Meister sodann in rascher Folge, und seine Existenz
bei dem kunstliebenden König schien für alle Zeit gesichert. Aber
die leidenschaftlichen Briefe Lucrezia's,-welche ihn nach Hause riefen,
liessen ihm keine Ruhe. Der König bewilligte ihm den für kurze Zeit
erbetenen Urlaub und vertraute ihm sogar ansehnliche Summen zu
künstlerischen Ankäufen an. Daheim aber vergass der sträflich leicht-
sinnige Mann sich soweit, dass er nicht bloss das eigene, sondern auch
das anvertraute Geld in kurzer Zeit in einem lustigen Leben und in
einem Hausbau verwendete. Mit Recht zürnte der König so sehr über
diesen schmahlichen Vertrauensbruch, dass Andrea genöthigt war, sich
eine Zeitlang verborgen zu halten. Aber schon 1520 durfte er wieder