Buch.
Kapitel.
Kultur
der ital.
Hoch renaissance.
heit eines Kunstwerks labt er sich an dem schaurigen Netz von Tücke,
Arglist und Mord, in welches der blutdürstige Borgia seine Opfer
verstrickt. Und doch, wer an die Gräuel der Baglionischen Bluthoch-
zeit denkt, der mag es als ein nicht unverdientes Verhangniss betrachten,
dass so viele kleinere Schlangen durch den Drachen Cesare unschäd-
lich gemacht wurden. Man begreift aber, welche sittliche Verödung
im Gemüthc eines Volkes einrcisscn muss, dem die begeisterte Liebe
zum gemeinsamen Vaterlande, Treue und Glauben gegen Herrscher und
Regierung, stolze Freude an der Blüthe despStaates mit dem letzten
Reste politischer Selbstthätigkeit zu Grunde gegangen sind. Mit Recht
bezeichnet schon Macchiavell das Papstthum als den Fluch des italie-
nischen Volkes, da es durch seine politische Rolle die, Nation um Einl
heit, Macht und Freiheit gebracht.
Aber noch unheilvoller wurde die Priesterherrschaft für den
Geist der Nation, da sie denselben im tiefsten Grunde entsittlichte.
Das frivole Spiel mit dem Heiligsten, die unglaubliche Lasterhaftigkeit
der Priesterherrsehaft, in welcher die Weltgeistlichen mit den Mönchen
um den Preis der Rnchlosigkeit wetteiferten, hatte langst bei einem
ohnedies sinnlich gearteten Volke die Religion zu roher Aeusscrlichkeit
entwürdigt. Zu Alexanders VI. Zeiten war Rom eine Banditenhöhle
geworden, angefüllt von Meuchelmördern und Spionen. Als der Herzog
von Gandia, des Papstes älterer Sohn, dem Ehrgeiz seines Bruders
Cesare im Wege stand, und plötzlich durch nächtlichen Meuchelmord
aus dem Wege geräumt wurde, bezeichnete die allgemeine Stimme
Cesare als den Mörder. Frecher und oifenkundiger würgte er den
Gemahl seiner Schwester Lucrezia, wie er vorher den Lieblingskam-
merer seines Vaters Pedro Caldes unter des Papstes eigenem Mantel
erdolcht hatte. Daneben wüthete im Stillen das bekannte weisse Pulver
der Borgia und räumte mit unheimlicher Sicherheit unter den Kardi-
nalen auf, die sich nicht gefügig erwiesen. Als daher Alexander VI.
plötzlich starb und mit ihm zugleich Cesare gefährlich erkrankte, war
man allgemein überzeugt, dass sie aus Versehen ein Gift genommen,
welches sie für Andere bestimmt hatten. Beim Anblick der grässlich
entstellten Leiche, der schwarzangelaufenen anfgedunsenen Züge wei-
deten, wie ein Geschichtsschreiber sagt, Tausende die hassentliammten
Blicke an dem todten Drachen, der die Welt vergiftet hatte. Der
Schlimmste aber lebte und würgte noch eine Zeit. Das Alles sind welt-
bekannte Dinge; aber man muss sie stets dem Gedächtniss erneuern,
wenn es sich um eine richtige Vorstellung von jenen Zeiten handelt.