Andrea
Sarto.
Fresken
Scalzo.
189
Albertina (Br. 76). WVill man die hohe Freiheit dieser Schöpfungen
recht würdigen, so muss man sie mit dem gleichzeitig entstandenen
Fresko Francia Bigio's vergleichen, welches dagegen doch nur mühsam
und befangen erscheint.
Um diese Zeit kehrte Andrea zu den Darstellungen im Vorhofe
des Scalzo zurück, die wir hier im Zusammenhange zu betrachten
haben. Schon vor den Arbeiten in der Annunziata waren, wie es
scheint, diese in braunem Ton einfarbig behandelten Fresken begonnen
worden. Als das früheste bezeichnet Vasari die Taufe Christi, die
allerdings noch keine volle Freiheit in der Freskobehandlung verräth,
und jetzt, nachdem die al secco ausgeführte Üebermalung sich längst
abgelöst hat, ungünstig wirkt, dennoch in der Regel zu absprechend
beurtheilt wird. Schon die Beschränkung auf das Nothwendigste, auf die
Gestalten Christi, des Tätufers und zweier dienender Engel, beweist
einen an Masaccio genährten Sinn für Einfachheit und Grösse. (Fig. 37.)
Die Anordnung der Gestalten zwar erinnert an Verrocchids Bild (I,
S. 317) und namentlich die beiden knieenden Engel schliessen sich im
Wesentlichen diesem Vorgänger an; aber in den beiden Hauptgestalten
herrscht anstatt der dort waltenden Harte und Steifheit ein hohes Gefühl
für Adel des Ausdrucks und Rhythmus der Bewegung. Das zweite
Bild schildert die Predigt des Johannes in der Wüste (der geistreiche
in Rothstift gezeichnete Entwurf in den Üffizien, Br. 395), und auch
hier gewahrt man schon eine lebensvolle Fortbildung dessen, was Ma-
saccio in diesem Thema gegeben hat. Die Figur rechts unter den
Zuhörern ist, wie schon Vasari bemerkt, Dürer entlehnt, und zwar
aus der Kupferstichpassion Bartsch 10. Es folgten dann 1515 die
Figur der Gerechtigkeit, und die dramatisch wuchtige Scene, wie Jo-
hannes gefangen vor Herodes geführt wird. (Fig. 38.) Hier erscheint
der Künstler schon in seiner ganzen Grösse; die Erzählung ist alles
Episodischen, Nebensächlichen entkleidet, Alles von einer schlichten,
packenden Gewalt, wie seit Masaccio keiner mehr geschildert hatte;
besonders charaktervoll die beiden Häscher, welche den sich Sträuben-
den ergreifen und bändigen; ebenso frappant ein Weiterer Scherge, der
links im Hintergründe, die Hand an's Schwert gelegt, die vor den
Sitz des Herodes führende Treppe hinabsteigt, um nöthigenfalls seinen
Gefährten beizuspringen (die geniale Röthelstudie dazu in den Uffizien,
Br. 407). Dabei sind die Figuren des gebieterisch von seinem Sitz
herab die Rechte ausstreckenden Herodes und des prachtvollen links im
Vordergrunde stehenden Alten voll Lebendigkeit in den Motiven der