Volltext: Geschichte der Italienischen Malerei vom vierten bis ins sechzehnte Jahrhundert (Bd. 2)

Politische 
religiöse Zustände. 
Die moralisehen Schäden, welche aus jenen politischen Zuständen 
sich für die Nation ergaben, traten in allen Erscheinungen des Lebens 
zu Tage. In dem eigennützigen Kampf der einzelnen Staaten und 
Herrscher erlosch bis zum letzten Funken der nationale Gedanke, der 
Sinn für die Einheit, Freiheit und Grösse des Vaterlandes, der in 
Dante noch zu glühenden Zornestlammen emporgeschlagen war. Was 
früher dafür eine Art Ersatz geboten hatte, die leidenschaftliche Liebe 
Zur Vaterstadt, einer der stärksten Antriebe bei den grossen Schöpfungen 
des Mittelalters, sieehte ebenfalls dahin. Ebenso wenig gab es in dem 
damaligen Italien eine Anhanglichkeit an legitime angestammte Herrscher- 
familien, da solche überhaupt nicht vorhanden waren, sondern die be- 
stehenden Dynastieen sich durch Üsurpation gebildet hatten. Man liess 
die einmal vorhandene Gewalt über sich ergehen, sank zu immer 
grösserer Stumpfheit und politischer Interesselosigkeit herab, und rächte 
sich für den Verlust der Selbständigkeit höchstens durch Sehmährcden 
und Pasquille. 
Noch bedenklicher litt der öffentliche Zustand dadurch, dass die 
einzelnen Staaten, um sich einander zu erwehren und an Macht zu 
ilberflügeln, zu Bündnissen mit auswärtigen Mächten sich gezwungen 
sahen. S0 wurde damals wiederum Italien von fremden Heeren ver- 
wüstet, und selbst Julius II., trotz seines Programms, die Fremden aus 
Italien zu vertreiben, konnte den Bündnissen mit auswärtigen Mächten 
nicht entgehen. Nichts ist verwirrender als das Schauspiel der stets 
von Neuem geknüpften und ebenso schnell verrätheriseh gebrochenen 
Bündnisse, welches namentlich die Politik des damaligen Papstthums 
darbietet. Dies rankevolle Spiel voll Tücke und Arglist ging mit jeder 
Art Blutthat, mit Gift und Dolch Hand in Hand. Es giebt im da- 
maligen Italien nirgends Treue und Glauben, nirgends Redlichkeit, 
nirgends Respekt vor geheiligten Verträgen. Meineid und Wortbruch 
sind die tägliche Nahrung dieser Politik. Der grösste Staatsmann der 
Zeit, Niceolo llIacchiavelli, spricht von all diesen Dingen mit einer 
kühlen Ruhe, als 0b sie sich von selbst verstanden. Als Julius II., 
mit Zilrticklassung seiner militärischen Begleitung, in Perugia, das sich 
ihm ergeben hatte, einzog, tadelte Maechiavelli den ruehlosen Tyrannen 
der Stadt, Giampolo Baglione, dass er nicht die Gelegenheit zu einer 
gmSSßn That benutzt habe, deren Ruhm alle damit verbundene Schmach 
und Gefahr überragt haben würde. Dagegen verhehlt derselbe Mac- 
chiavell seine Bewunderung des Cesare Borgia nicht. Wie an der 
meisterhaften Exposition eines Dramas, wie an der harmonischen Schön-
	        
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