Bigio.
Francia
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ist, steht der Hohepriester, in dessen Assistenz Joseph eben im Begriff
ist, seiner Verlobten den Ring an den Finger zu stecken. Neben der
Jungfrau sieht man eine stattliche Begleiterin, die aber der Ceremonie so
wenig Aufmerksamkeit schenkt, dass sie aus dem Bilde herausblickt. Auf
der andern Seite sind mehrere Begleiter des Bräutigams angebracht,
darunter ein Jüngling mit lebhafter Geberde des Unmuths. Ein
zweiter eilt eben herbei, andre stehen weiter zurück in ruhigem Ge-
spräch. Bei unleugbarer Schönheit der einzelnen Gestalten leidet die
Composition an einer gewissen lockeren Dürftigkeit, die der Maler
durch die reichlich beigefügten prächtigen Genrefiguren nicht zu ver-
bessern vermochte. Trotzdem zeugt die gewissenhafte Sorgfalt der
Durchbildung von dem rühmlichen Streben des Künstlers, mit Andrea
zu wetteifern. Leider ist das ansprechende Werk durch die leidenschaft-
liche Hast seines Urhebers verstümmelt worden, denn, da die Mönche
das Bild vor seiner Vollendung, zur Feier eines Festes, zu enthüllen
wagten, vernichtete Francia Bigio im Zorn-durch Hammerschläge den
Kopf der Maria und der neben ihr stehenden Jungfrau, sowie des
rechts am Boden sitzenden Bettlers, und da er auf keine Weise zu
bestimmen war, den Schaden auszubessern, so ist sein Werk bis auf
den heutigen Tag verstümmelt geblieben.
Aus etwas früherer Zeit stammt eine Madonna mit dem Kinde
zwischen Johannes dem Evangelisten und Hiob, ehemals in S. Giobbe,
jetzt in den Uffizien, welches Vasari erwähnt, und das kleine Bild
der Verleumdung des Apelles in der Galerie Pitti, Arbeiten, die in-
dess durch Üebermalung gelitten haben. Auch die Verkündigung in
der Galerie zu Turin (Nr. 121), aus S. Piero maggiore zu Florenz
stammend und von Vasari gerühmt, gehört zu den früheren Arbeiten
des Künstlers. Sich selbst aber hatte der Meister übertroffen, wenn
ihm in der That die sogenannte Madonna del Pozzo zugeschrieben
werden dürfte, welche in der Tribuna der Üffizien unter RafaeYs
Namen hängt. Die Composition ist in der That etwas ungewöhnlich
und für Rafael nicht fein genug abgewogen, der Ausdruck der Köpfe
etwas zu genrehaft, die Modellirung in einem sehr kräftigen Ton, nicht
frei von mühsamer Härte. In der That hat es viel Wahrscheinlich-
keit, in diesem Bilde ein von Vasari in S. Piero maggiore erwähntes
Werk des Francia Bigio zu erkennenx). Später, seit 1518, musste der
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