Bartolommeo.
Fra
Werke.
Späteste
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Hinzufügung einer mächtigen Doppelgruppe von Heiligen, Johannes
d. T., Paulus, Hieronymus, Franziskus und der knieenden Magdalena
und Margaretha bereichert wird. Es ist ein kleines Bild von köstlicher
Freiheit der Composition, herrliche Gestalten voll tiefer Empfindung
in leuchtender Gluth des Kolorits und goldigem Helldunkel. In dem-
selben Jahre schuf der fleissige Mönch das grosse Andachtsbild der
Madonna della misericordia in S. Romano zu Lucca. Während Christus
in feierlichem Schwung dahinschwebt und die Madonna innig zu ihm
aufblickt, breiten Engel ihren Mantel über die Christenheit aus, deren
Vertreter, nach Alter und Geschlecht verschieden, in edel empfundenen
Gruppen sich schutztlehend zusammendrängen. So reich an herrlichen
Einzelheiten diese grosse Composition ist, die durch ein tiefes kraft-
volles Kolorit sich auszeichnet, so bringt doch eine gewisse Absicht-
lichkeit in der Anordnung und etwas Gesuchtes in den Stellungen eine
etwas kühle Wirkung hervor. Das dritte Bild dieses Jahres ist eine
Madonna der Ermitage zu Petersburg, auf welchem in Üebereinstim-
mung mit jener von S. Marco die h. Jungfrau mit dem Kinde am
Boden sitzend dargestellt ist, von vier musizirenden Engeln umgeben.
Hier begegnet uns anstatt des feierlichen Aufbaues der grossen Altar-
bilder eine jener idyllischen Familienscenen, wie sie in der florenti-
nischen Kunst, besonders durch Fra Filippo und Botticelli ausgebildet
worden waren. Die Madonna steigt vom Himmelsthron herab und
wird ganz irdische Mutter, wobei die Innigkeit rein menschlichen Em-
pfindens an die Stelle überweltlicher Mystik tritt. Fra Bartolommeo
hat, zugleich mit Rafael in Lionardo's Fussstapfen tretend, dies rein
Menschliche aus dem tlorentinisch Bürgerlichen und Alltäglichen durch
den Adel höchster Schönheit in Aufbau und Linienführung, in Ge-
wandung, in Form und Ausdruck der Köpfe zu freier Idealitat erhoben.
Hat das Petersburger Bild durch Verputzen an seiner ursprüng-
lichen Schönheit eingebiisst, so scheint dagegen eine andere, etwas
frühere Composition, im Besitz des Lord Cowper zu Panshanger
von untadeliger Erhaltung. Dort erweitert sich das Thema zur lieb-
lichsten Familienscene, indem die noch lionardesk gezeichnete Madonna
wie rastend in einer Landschaft unter Palmen sich niedergelassen hat,
auf dem Schoosse das nackte Kind haltend, welches von dem herbei-
eilenden kleinen Johannes ein Kreuz empfängt. Die Gruppe zeigt
pyramidalen Aufbau, dessen symmetrische Strenge durch den neben
der Madonna gelagerten, dem Kinderspiel gemüthlich zuschauenden
Joseph (Studie dazu in Weimar) gemildert wird. Ein Bild ähnlicher