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Buch.
Kapitel.
Die
Florentiner.
übrigen
andern Blatt (Br. 70), von dem auf derselben Seite vorn stehenden
lilönch eine andre ebendort (Br. 72). Wie bedeutende Umgestaltungen
der Künstler bei der Ausführung noch vornahm, lehrt ein vergleichender
Blick auf unsere Abbildungen; namentlich der kleine Johannes kniet auf
den Stufen, anstatt hinaufzuschreiten, und aus den musizirenden Engeln
sind zwei einander umarmende geworden, während Baccio die musizi-
renden bei seinem grossen Madonnenbilde der Galerie Pitti verwendete.
Auch dieses Bild steht durch die Grossartigkeit der Formen so
bedeutend da, dass die Erzählung Vasari's von einem Besuche, welchen
Fra Bartolommeo damals in Rom gemacht habe, um die Werke RafaePs
und Michelangelds kennen zu lernen, grosse Wahrscheinlichkeit gewinnt.
In Rom entstanden wahrscheinlich die beiden Tafeln mit den Apostel-
fürsten, welche man, allerdings nicht mehr im ursprünglichen Zustande,
in der Sammlung des Quirinal sieht. Die Cartons dazu besitzt die
Akademie zu Florenz. Vasari berichtet zugleich, dass die römische
Luft dem Frate schlecht bekommen sei, und damit lasst sich die That-
sache wohl zusammenreimen, dass der Künstler im Juli 1514 in das
Landspital der Dominikaner nach Pian' di Mugnone sich zu seiner
Erholung begab. Man sieht dort noch mehrere Arbeiten, die er da-
mals und bei später wiederholten Aufenthalten ausgeführt hat. In
diese Zeit fallt ein herrliches Madonnenbild in der Kirche von S. Marco,
welches in Grösse der Form, Innigkeit des Motivs und dem glänzenden
Kolorit der Madonna della Sedia nahe kommt. Dass auch der Frate,
glücklicherweise nur vorübergehend, den Einfluss Michelangelds erfuhr,
bezeugt am klarsten die Kolossalgestalt des h. Marcus in der Galerie
Pitti, eine herrliche Gewandiigur von kühner Bewegung, welcher
jedoch der mühsam gesteigerte Ausdruck des Kopfes nicht zu folgen
vermag. Das Gewaltsame, das terribile in der Kunst Michelangelds
war für die feine massvolle Seele Fra Bartolommeds eine Klippe, der
er sich bald wieder zu entziehen wusste. Die Kohlenstudie zum Marcus
findet sich in den Üffizien (Br. 68). Von ähnlich grandioser Anlage
bei ._leuchtend tiefem Kolorit ist die,-gleich der vorigen, aus S. Marco
stammende Figur des h. Vinzenz Ferrerius in der Akademie (S. der
gr. G. Nr. 69). Dahin gehören auch die Einzelgestalten dominika-
nischer Heiliger, im Dormitorium von S. Marco in Fresko ausgeführt.
Auf der nunmehr erlangten freien Höhe künstlerischer Vollendung
schuf Fra Bartolommeo in den wenigen Jahren, die ihm noch vergönnt
waren, eine Reihe edelster Meisterwerke. So im Jahre 1515 die Ver-
kündigung im Louvre, wo die sonst so einfache Composition durch