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und zartester Vollendung, in der technischen Behandlung den durch-
gebildeten Meister verrathend. Studienblätter auch zu diesen Werken
in Weimar. Um dieselbe Zeit malte er in einem Bogenfeld über der
Thür des Refectoriums von S. Marco Christus als Pilger von zwei
Mönchen freundlich aufgenommen, ein Bild von seelenvoller, an Fiesole
erinnernder Innigkeit, dabei von meisterlicher Freskotechnik.
Es folgt nun eine Reihe von Andachtsbildern, in welchen der
Künstler durch den Adel der Gestalten, die Reinheit des Ausdrucks,
die milde Anmuth der Köpfe und den feinen Rhythmus der Gruppen-
bildung sich Rafael verwandt, ja nicht selten ebenbürtig erweist. Zu-
gleich erreicht in diesen Werken sein Faltenwurf jene klassische Voll-
endung, den grossen freien Stil, der von keinem unter den Grössten
jener Zeit übertroffen wird. Wie sehr er diese Seite des Studiums
betonte, geht daraus hervor, dass der Frate nach Vasarfs Bericht die
Gliederpuppe erfand, um den Faltenwurf besser ausführen zu können.
Eine irrig dem Lionardo zugeschriebene Kohlenzeichnung in den Ufii-
zien zeigt deutlich die Verwendung des Gliedermannes.
Die Reihe der vollendeten Schöpfungen dieser mittleren Zeit beginnt
ein Bild aus dem Jahr 1599, mit dem Namen des Künstlers bezeichnet,
die thronende Madonna, von Johannes d.- T. und Stephanus verehrt,
in S. Martino zu Lucca. (Fig. 30.) In dem süssen Lächeln des fein
gezeichneten Madonnenkopfes wie in der fast zu weichen Holdseligkeit
der beiden Heiligen ist ebenso wie in dem glänzenden, duftig Weichen
und dabei leuchtenden Kolorit ein starker Einfluss Lionardo's nicht zu
verkennen. Die beiden mit der Krone zu Haupten der Madonna flie-
genden Engelknaben sind in ihrem köstlich leichten Schweben die
ersten Zeugen einer neuen freieren Auffassung, über dem Ganzen ruht
ein bezaubernder Hauch jugendlicher Reinheit der Empfindung. Die
Kohlenzeichnung zur Madonna befindet sich im Louvre (Br. 19), die
Studien zu den beiden Heiligen in den Ufflzien (Br. 66 u. 85), Anderes
zu Weimar. Aus demselben Jahre stammt das nicht minder bedeutende
Altarbild in S. Romano zu Lucca, welches den von Engeln um-
schwebten Gottvater darstellt, wie er der h. Magdalena und Katharina
von Siena erscheint. Es ist eins seiner herrlichsten Werke, voll Schön-
heit, Würde und Anmuth, wunderbar fein die Körper der schwebenden
Engel und der duftige Ton ihres Fleisches, feierlich die Gestalt Gott-
Vaters, edel bewegt und tief empfunden die beiden Heiligen, von denen
Katharina mit dem süssen Ausdruck an die edelsten Inspirationen
Lionardo's erinnert. Das Ganze eine RafaePs würdige Schöpfung. Die
Lübke, Italien. Malerei. II. 11