150
Buch.
Kapitel.
Buonarroti.
Michelangelo
befindliche Bild der Kreuztragung durch grossartige Wirkung, edlen
Schmerzensausdruck und tiefe Kraft der Farbe hervorragt. Die Galerie
zu Dresden besitzt eine ebenfalls treffliche, eigenhändige Wieder-
holung desselben. Auch die Kreuztragung der Ermitage zu Peters-
burg, 1586 für Don Fernando Silva, Gesandten Kaiser Karls V.
gemalt, ist immerhin ein tüchtiges Werk, von harmonischer Farben-
wirkung, aber doch im Ausdruck und der Formgebung schon ausser-
licher. Eine Pieta in derselben Sammlung, mit dem Namen des Meisters
bezeichnet, zeigt eine etwas schwere, kühle Farbenstimmung bei edlerem
Ausdruck der Trauer. Von ergreifender Wirkung ist auch die Pietä.
in S. Francesco zu Viterb o, in welcher sich michelangeleske Formen-
gewalt mit venezianischer Farbenkraft verbindet. Die herbe Strenge
in der lang ausgestreckten Gestalt Christi und die stumme Klage der
zum Himmel blickenden Madonna geben den Eindruck feierlicher Er-
habenheit. Dagegen "ist die auf Schiefer gemalte Pieta im Museum
zu Berlin zwar anziehend durch den goldig warmen Ton der Kar-
nation, hat aber durch die kolossalen gar zu leeren und ausdrucks-
losen Formen und den niedrigen Charakter der Köpfe etwas gar zu
Aeusserliches. Sebastiano hat wiederholt auf Schiefer, Marmor oder
Kupfer gemalt, eine Sitte, die etwa seit den dreissiger Jahren sich
verbreitete. Von einem dieser Bilder, welches er für Don Fernante
Gonzaga, Vicekönig von Sicilien, 1533 auszuführen hatte, ebenfalls
einer Pietät, wissen wir nichts Näheres als die Einzelheiten der Ver-
handlungen mit dem Künstler, welche freilich kein günstiges Bild von
seinem Charakter entrollen. Sebastian verlangte ohne Weiteres dafür
die damals enorme Summe von tausend Scudi mit der mehr als naiven Be-
gründung, dass nach der Höhe des Preises auch der Werth des Bildes ge-
schätzt werde. Er liess sich indess zuletzt an fünfhundert Scudi genügen.
Sehen wir in den religiösen Bildern ihn nicht ohne Schwanken
zwischen den verschiedenen Einflüssen vermitteln und nicht immer daraus
ein harmonisches Ganzes gewinnen, so sind dagegen seine Porträts
von erstaunlicher Einheit und Macht der llVirkung. Begründet wird
dieselbe durch die wunderbare Tiefe und Kraft seines venezianischen
Kolorits, welches sich mit einer einfachen Grösse historischer Auffassung
verbindet, wie sie Rafael eigen war. Eins der vollendetsten Meisterwerke
dieser Art ist das berühmte Porträt in der Tribuna der Uffizien vom
Jahr 1512, welches lange Zeit irrthümlich für die sogenannte Fornarina
von Rafael gegolten hat (Fig. 29), denn in der That steht es in dem von
vornehmer Anmuth gemilderten Ernst der Auffassung den vollendeten