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Buch.
Kapitel.
Buonarroti.
Michelangelo
erinnernd, in der Farbenbehandlung aber schon mit jenen unruhig;
gebrochenen schillernden Tönen, durch welche sich der Manierismus
ankündigt. Von den dekorativen Arbeiten Daniele's in der Sala regia
des Vatikans und an andern Orten, sowie von seinen späteren plasti-
schen Werken dürfen wir füglich absehen. Daniele lebte bis 1566
und vermochte sich in seinen späteren Arbeiten eben so wenig wie
die Mehrzahl der gleichzeitigen Künstler von dem mächtig eindringen-
den Manierismus frei zu erhalten. Dass er, als Papst Paul IV. das
Jüngste Gericht Michelangelds wegen der Nuditäten herabschlagen
lassen wollte, dasselbe durch theilweise Ücberinalilng rettete, wurde
schon erzählt.
Eine ganz besondere Stellung nimmt ein anderer Künstler ein,
der, aus der venezianischen Schule hervorgegangen, sich später Michel-
angelo anschloss, und in dem man einen der frühesten Eklektiker der
italienischen Kunst zu erkennen hat. Es ist Sebastiano Lucian-i
allgemeiner bekannt unter dem Namen Sei). de! Piombo, wie er nach
seinem später am päpstlichen Hof erlangten Amte genannt wird. In
Venedig um 1485 geboren, gehörte er zu jener älteren Generation,
die noch die Lehre und den Einfluss Giovanni Bellinfs erfahren hatte,
Mächtig wirkte sodann auf ihn der in derselben Schule herangewachsene,
um einige Jahre ältere Giorgione, der zuerst den grossen freien Stil
der Malerei eingeführt hatte und auch auf Tizian bestimmenden Ein-
fluss übte. Sebastian war offenbar eine leichtbewegliche, empfängliche
und mannichfach begabte Natur, wie er denn namentlich auch als Sänger
und Musiker sich auszeichnete und in dieser Eigenschaft in den vor-
nehmen Kreisen Venedigs gern gesehen war. Aus seiner früheren
Zeit bewahrt die Kirche S. Giovanni Crisostomo zu Venedig ein
grosses Altarbild, welches die Verherrlichung des h. Chrysostomus ent-
hält. Man sieht den Heiligen thronen, mit drei weiblichen und drei
männlichen Heiligen, Augustinus, Johannes d. T. und Liberale einer-
seits, Katharina, Agnes und Magdalena andrerseits verbunden. Es ist
jene grossartige Anordnung einer Santa conversazione, wie sie durch
Giovanni Bellini zuerst entwickelt und dann durch Giorgioney und
Tizian zu hoher Vollendung geführt wurde. Die Gestalten sind von
freier Lebendigkeit, der greise, an seinem Pult schreibende Chry-
sostomus voll feierlicher Würde, vor Allem aber die Frauen von jener
In
ü) Vgl. Growe and Cavalcaselle, hist.
Jorrlarfs Bearbeitung Bd. VI, 367 Ü".
of
painting
in
N orth
Italy,
II
O
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