Schüler
und
Nachfolger
Michelangelds.
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zierlich saubere Technik dieses Künstlers contrastiren allerdings seltsam
genug mit den michelangelesken Formen. Von ihm sieht man im
Museum zu Neapel eine Kopie des Jüngsten Gerichts, "schon desshalb
von WVichtigkeit, weil sie das Bild vor den über dasselbe ergangenen
Üebermalungen darstellt. Die Galerie Colonna zu Rom besitzt von
ihm einen Christus, der den Seelen in der Unterwelt erscheint, eine
Composition, die in Einzelheiten an Michelangelo erinnert.
Noch entschiedener wurde Daniele Ricciarelli, von seiner Vater-
stadt Dan. da Voltearra genannt, durch Michelangelds Vorbild bestimmt.
Geboren im Jahre 1509, soll er, nach Vasari, die Anfangsgründe im
Zeichnen bei dem damals in Volterra beschäftigten Soddoma, dann
aber seine weitere Ausbildung bei Peruzzi erlangt haben. In der Folge
begab er sich, vom Eifer nach reicheren Anschauungen getrieben,
nach Rom zu Perin del Vaga, dem er bei zahlreichen meist dekora-
tiven Arbeiten behülflich war. Ohne hervorragendes Talent, aber voll
Fleiss, gehörte Daniele zu den unselbständigen Naturen, die ihre Rich-
tung von dem bestimmenden Geiste schöpferischer Meister erhalten.
So kam es, dass er sich bald an Michelangelo anschloss, der ihn öfter
mit Zeichnungen unterstützt haben soll. Was unter solcher Einwirkung
selbst ein Künstler zweiten Ranges damals gelegentlich zu Stande
brachte, zeigt die berühmte Kreuzabnahme, welche er im Auftrage der
Elena Orsina für Sta. Trinita de' Uonti ausführte. Dies gewaltige
Altarbild, obwohl von der Zeit stark mitgenommen, gilt immer noch
mit Recht als eins der bedeutendsten Gemälde Roms. In meisterhaft
abgewogener Composition (Fig. 27) ist das Herabnehmen des edel
verkürzten Leichnams Christi vom Kreuz anschaulich gemacht. Die
beiden auf den Leitern stehenden Männer, welche den Körper sanft
herabgleiten lassen, den ein junger Krieger unten empfängt, die beiden
andern bärtigen Gestalten, welche sich über den Querbalken des Kreuzes
herabneigen, um auch ihrerseits sich an der frommen Handlung zu
betheiligen, das Alles ist mit tiefer künstlerischer Ueberlegung durch-
geführt und doch erhält die meisterlich geschilderte physische An-
strengung ein volles Gleichgewicht in dem ergreifend abgestuften
Ausdruck weihevollen Ernstes und inniger Theilnahme. Von erschüt-
ternder Gewalt ist sodann die Gruppe der Frauen, welche in heftiger
Erregung sich über die ohnmächtig hingesunkene Mutter des Herrn
beugen, um ihr Beistand zu leisten, obwohl hier der dramatische Aus-
druck die Grenze des Pathologischen berührt. Bewundernswürdig ist
die ganze Composition abgewogen, die Gruppe der Frauen mit feiner