Volltext: Geschichte der Italienischen Malerei vom vierten bis ins sechzehnte Jahrhundert (Bd. 2)

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III. 
Buch. 
Kapitel. 
Michelangelo 
Buon arroti  
den Seiten ein wehklagender Engel in verzweiflungsvollen Geberden 
der Theilnahme hinzugefügt ist; so in einem tretflichen, vielleicht von 
Sebastian del Piombo auf einenMai-morplatte ausgeführten Gemälde 
des Berliner Museums; so noch auf manchen andern Nachbildungen, 
die sammtlich auf ein Original Michelangelds zurückgehen. Wahr- 
scheinlich war es dasselbe, welches er für Vittoria Colonna ausführte, 
und worüber diese sich in ihren Briefen mit der höchsten Bewunderung 
äussert. Mehrere Entwürfe in Windsor (Nr. 23, 24, 25), leicht in 
schwarzer Kreide ausgeführt, zeigen, wie er dem Thema den ergrei- 
fendsten Ausdruck abzugewinnen suchte. In allen diesen Werken nähert 
sich Michelangelo der tiefsinnigen Auffassung, wie sie in Dürer's Dar- 
stellungen der Passion zur Erscheinung kommt. Er steht dabei, wie in 
seinen späteren Gedichten, auf der Seite jener innerlichen religiösen 
Emplindung, die in der italienischen Kunst früh schon durch Giotto 
und Giovanni Pisano vertreten war , dann aber durch den sinnlich 
heiteren lebensfrohen Geist der Renaissance auf lange Zeit fast völlig 
zurückgedrängt wurde, Denn es ist gewiss bezeichnend, dass, während 
die nordische Kunst in den Schulen Flanderns und Deutschlands gerade 
die Passion mit grossem Nachdruck behandelte, die italienische Renais- 
sance dieses Thema eher vermied als aufsuchte, und wo sie es be- 
handelte, wie bei den Umbriern, statt der schneidenden Energie, die 
ein tiefes Versenken in den Stoff zu fordern scheint, es eher in eine 
milde, fast sentimentale Wehmuth tauchte. Nur einige Oberitaliener, 
Mantegna, Giovanni Bellini, Crivelli gehen mit voller leidenschaftlicher 
Erregtheit darauf ein; aber erst in Michelangelds späteren, vom Geiste 
der religiösen YViedergeburt durchglühten Werken kommt dies Element, 
gepaart mit der höchsten Formvollendung, zum Ausdruck. Es ist die- 
selbe Innigkeit christlicher Empfindung, welche die Mehrzahl seiner 
späteren Gedichte erfüllt, in denen die Betrachtung des bittren Leidens 
des Erlösers stets in neuen Wendungen auftaucht: 
Wie fest wir auch auf die Verheissung bauen, 
S0 ist doch jener Glaube Frevelmuth, 
Dass leicht des Zögerns Schuld verzieh'n uns Arlnen 
Und dennoch thut, verspritzt in Todesgrauen, 
Vom Kreuz herab uns kund dein strömend Blut; 
So masslos wie dein Schmerz, sei dein Erbarmen 
Ueberhaupt sind die Handzeichnungen von grosser Wichtigkeit, 
bedürfen aber einer strengen Sichtung, da in den Sammlungen zahl-
	        
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