Handzeichnungemu
ßlichelangekfs
187
darstellt, wie sie in rasendem Laufe einer durch einen Schild ge-
schützten Herme zustürzen, nachdem sie auf dieselbe ihre Pfeile
abgeschossen haben. Diese aus Lucian geschöpfte Allegorie wurde
nachmals von Schülern Rafaelfs für die sogenannte Villa des Meisters
ausgeführt; nach Zerstörung des Gebäudes (1849) gelangte das Freskc
in die Galerie Borghese. Dass Michelangelo solchen Zeichnungen oft
die grösste Liebe zuwandte, erkennt man aus der Vollkommenheit, mit
welcher diese Blätter durchgeführt sind.
Mehrfach hat sich Michelangelo sodann, namentlich in seiner
späteren Zeit, mit dem ergreifenden Thema des von den Seinigen be-
trauerten todten Christus beschäftigt; nicht bloss in den plastischen
Gruppen der Pieta und jener grösseren unvollendet gebliebenen im
Dom zu Florenz, sondern in einigen Handzeichnungen lassen sich diese
Studien verfolgen. So besitzt das Louvre eine herrliche Kohlen-
zeichnung (Br. die den halbaufgerichteten Oberkörper Christi mit
zurückgesunkenem Haupt und matt herabhängenden Armen! zum
rechten Arm noch zwei Varianten auf demselben Blatt zeigt. Eine
Rothstiftzeichnung der Alb ertina (Br. 28), WO der todte Christus
aufrecht sitzend dargestellt ist, als Mittelpunkt einer nur angedeuteten
Gruppe der ihn haltenden Freunde, steht mit jener Zeichnung in nahem
Zusammenhange, denn hier hat der rechte Arm die auf jenem Blattc
skizzirte Haltung. Uebrigens erscheint die Originalität dieser Zeichnung
keineswegs unzweifelhaft. Das von dem Meister für Vittoria Colonna
eigenhändig ausgeführte Bild einer Pieta, wo die Arme Christi von
zwei klagenden Engeln gehalten wurden, ist nicht mehr nachzuweisen.
Dagegen besitzt die Sammlung zu Oxford (Br. 77) eine herrliche
Rothstiftzeichnung der Kreuzabnahme voll ergreifender Dramatik. Das
halb untermalte Bild einer Grablegung in der Nationalgalerie zu Lon-
don geht in der Hauptgruppe wohl auf einen Entwurf Michelangelds
zurück, ist aber nur das Werk eines eklektischen Nachahmers.
Nicht minder eingehend befasste er sich mit einem anderen be-
deutenden Gegenstande der Passion: der Darstellung des leidenden
Christus am Kreuze. Auch hier geht er auf die tiefste, erschütterndste
Gestaltung aus, und so entsteht jene ergreifende Schilderung des von
Qualen zerrissenen Schmerzensma-nnes, der in Todesschweiss gebadet,
die halbgebrochenen Augen zum Himmel wendet , als ersehne er von
dort das Ende Seiner Leiden, während das Stöhnen der Todesangst
die Lippen zur Klage öffnet. So in einer offenbar nach dem Original
des Meisters entstandenen Zeichnung zu Oxford (Br. 84), wo zu bei-