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Buch.
Kapitel.
Michelangelo Buonarroti
schenkte, um aus dem Erlös die Mitgift für seine Schwestern zu be-
streiten, wurde von diesem an Franz I. verkauft und soll neuer-
dings stark beschädigt im Magazin der Nationalgalerie zu London
wieder entdeckt worden sein. Die Marmorgruppe im Bargello zu
Florenz geht ebenfalls auf eine Skizze Michelangelds zurück. Von
ähnlicher Grossartigkeit ist eine in heroischen Formen gewaltig an-
gelegte Venus, welche von Amor geküsst wird; auch von dieser Com-
position kommen mehrere Nachbildungen von Schülerhand vor; eine
derselben im Museum zu Berlin, ehemals dem Pontormo zugeschrieben.
Endlich gehört in diese Reihe die Allegorie des "Traumes", von
Welcher man ein früher wohl mit Unrecht auf Sebastian del Piombo
zurückgeführtes Exemplar in der Nationalgalerie zu London und eine
ebenfalls von einem Schüler Miclielangelds herrührende Zeichnung im
Museum zu Weimar (Br. 39) sieht: ein Jüngling sitzt in kühn zurück-
gebogener Stellung, mit den Armen auf einen Globus gestützt, auf
einer Steinkiste, deren Höhlung mit Masken aller Art ausgefüllt ist.
Während ihn wie Traumgestalten Scenen der Gewaltthat und des
Sinnengenusses umgeben, in denen man Darstellungen der sieben Tod-
sünden erkennt, stürzt sich mit ausgebreiteten Flügeln häuptlings ein
Genius herab, um den Träumenden mit Posaunenschall in's Bewusst-
sein zurückzurufen. Die Kühnheit der Bewegungen, die Breite der
Formen, ebenso wie das grüblerisch Gaedankenvolle der Composition
weisen auf einen Entwurf des Meisters zurück.
Mehrere der herrlichsten Zeichnungen, die demselben Stoffgebiet
angehören, bewahrt die Windsor-Sammlung. Drei Arbeiten des Hereules,
seine Kämpfe mit Antaus, der lernäischen Hydra, dem nemeischen
Löwen, meisterlich kühn und gewaltig, sieht man auf einem Blatt
(Nr. 27); den vom Geier zerfleisehten Prometheus, der gefesselt am
Boden liegt, auf einem andern (Nr. 31). Es ist wahrscheinlich das-
selbe Blatt, welches Michelangelo nach Vasarfs Versicherung für Tom-
maso de' Cavalieri zeichnete. Diese Arbeiten sind in schwarzer
Kreide mit höchster Vollendung ausgeführt, die Modellirung der Körper
namentlich von unübertrefflicher Rundung. Für denselben Freund
zeichnete er ein Bacchanal von Kindern, welches in einer herrlichen
Röthelzeichnung der nämlichen Sammlung (Nr. 33) vorzuliegen scheint.
Es ist jedenfalls eins der reichsten und schönsten Blätter, die wir von
Michelangelo besitzen. Endlich ebendort (Nr. 32) die nicht minder
vorzügliche Röthelzeichnung jener merkwürdigen Composition, welche
unter dem Namen „I Bersaglieri" eine Anzahl nackter junger Männer