Volltext: Geschichte der Italienischen Malerei vom vierten bis ins sechzehnte Jahrhundert (Bd. 2)

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Ch arak ter. 
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er bei klarem Bewusstsein sein Testament, das aus wenigen Worten 
bestand. Es lautete: „Ich vermache Gott meine Seele, der Erde den 
Leib, mein Vermögen den Verwandten." Ruhig und gefasst starb er 
am 17. Februar, im fast vollendeten neunundachtzigsten Jahre. Sein 
Tod versetzte Rom in Aufregung; heimlich nur vermochte sein Neffe 
den Leichnam nach Florenz zu bringen. Nach seinem Wunsche fand 
er sein Grab in heimischer Erde. In Santa Croce, wo so viele edle 
Florentiner ruhen, erhebt sich das Grabmal des grossen Mannes. 
Werfen wir einen Blick auf den Lebensgang Michelangelds zurück, 
So ist es ein Gefühl der Ehrfurcht, das uns ergreift. Wie ein Drama, 
voll tiefer innerer Bewegung, so entwickelt sich dies merkwürdige 
Künstlerleben. Mehrere Generationen von Künstlern gingen an ihm 
vorüber. Nächst Lionardo war Michelangelo der erste, welcher in die 
grosse, reif entfaltete Kunst des 16. Jahrhunderts hinüberleitete. Ueber 
ein halbes Jahrhundert stand er als einflussreichster Führer an der 
Spitze des Schaffens. Nie hat ein Meister so durchgreifend auf den 
Gebieten der drei verschwisterten Künste die unumschränkte Herr- 
schaft ausgeübt. In der Architektur wie in der Sculptur und Malerei 
hat er Meisterwerke ersten Ranges geschaffen und Schöpfungen hin- 
gestellt, die zu übertreffen nichfmöglich War. Sein Streben ging stets 
nach dem Höchsten; er stellte sich nur die erhabensten, kühnsten Auf- 
gaben. In der Lösung derselben bewährt sich eine Grossartigkeit der 
Auffassung, eine Sicherheit der Durchführung, eine Freiheit der Ge- 
staltung, die über alles Frühere weit hinausgeht. An Macht der 
Phantasie, an Reichthum, Tiefe und gewaltigem Schwung der Gedanken 
übertrifft ihn Keiner. Damit verbindet er aber eine Kenntniss alles 
zur Ausführung Erforderlichen, die ihn überall befähigte, dem Gedanken 
auch die vollendetste Form zu geben. Seine gründliche Wissenschaft 
der Anatomie, seine überraschende Aneignung der Freskotechnik, seine 
Meisterschaft in der Marmorbehandlung, endlich die vollständige Be- 
herrschung der Architektur mit allen ihren Hülfswissenschaften stehen 
in diesem universalen Geiste auf gleicher Höhe. In seinen jungen 
Jahren beseelt seine Werke bisweilen, wie in der Pieta, eine zarte, 
rührende Innigkeit der Empfindung. Als er älter und ernster wurde, 
ging die Anmuth in eine herbe, spröde Grossheit des Stiles über, die 
nicht Selten auf den ersten Anblick etwas Abstossendes, Gewaltsames 
hat. In dem rastlosen Streben, Unfassbares oft dem Steine abzutrotzen, 
verlor er sich zu gezwungenen Stellungen, unschönen Formen und zu 
Bewegungen, welche die Grenze des Möglichen überschreiten. Aber
	        
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