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III.
Buch.
Kapitel.
Buon arroti.
Michelangelo
die Kühnheit und Sicherheit, die sinnreiche Anlage der Construction.
Dennoch liessen seine Feinde nicht nach, bis in's höchste Alter den
Meister zu verfolgen und zu quälen. Diesmal war es der Baumeister
Nanni di Baccio Bigio, der ihn vom Bau zu verdrängen suchte. Aber-
mals musste Michelangelo einen Sturm von Anschuldigungen und Ver-
läumdungen aushalten; aber auch Pius IV., der Paul IV. gefolgt war
(1559), wusste den grossen Meister zu schätzen, beruhigte ihn, da er
im Ünmuth um seine Entlassung bat, und wies die Verläumder und
Intriguanten würdig zurück. Im Auftrage desselben Papstes baute
Michelangelo ausserdem aus den Resten der Diokletiansthermen die
grossartige Kirche Sta. Maria degli Angeli.
Es war ein Glück für den Bau der Peterskirche, dass Michel-
angelo durch das Kuppelmodell jeden einzelnen Theil dieser Construction
bis in die Details der ornamentalen Ausstattung definitiv festgestellt
hatte. Denn wie auch später das Langhaus gegen seinen ausdrücklichen
Willen verändert und in manchem Betracht verschlechtert worden ist, die
Kuppel wenigstens wurde im Wesentlichen getreu nach seinem Modell,
nur noch bedeutend schlanker, vollendet. Diese Kuppel aber ist ein
Wunderwerk der Baukunst wie kein zweites solcher Art auf Erden zu
finden: an Erhabenheit, Leichtigkeit und Schönheit der Form unerreicht
wie an Grösse und Kühnheit der Construction. Was Brunelleschi in
seiner Kuppel des Horentiner Doms versucht hatte, doch ohne das Müh-
volle und Sehwerfallige des ersten Versuches ganz zu überwinden, das
tritt hier in höchster Vollendung in die Erscheinung. Die italienische
Kirchenbaukunst hatte seit Jahrhunderten als Hauptziel verfolgt, die
Kuppelanlage in möglichster Grossartigkeit mit dem ganzen übrigen
Kirchenkörper, nicht etwa mit dem Mittelschiife bloss, zu verbinden.
Die Dome von Siena, Florenz, Bologna, Pavia bezeichnen die einzelnen
Schritte auf dieser Bahn. San Gallds Kuppelentwurf für San Peter wäre
ein Rückschritt in's Kleinliche und Bunte geworden: Michelangelos WVerk
brachte die denkbar höchste, vollendete Lösung der Aufgabe, den end-
liehen Abschluss dessen, was, die früheren Jahrhunderte angestrebt
hatten. Mit Recht sagt Burckhardt von der St. Peterskuppel, dass sie
vielleicht die schönste und erhabenste Umrisslinie. darbietet, welche die
Baukunst auf Erden erreicht hat.
Die Kuppel von St. Peter war zugleich der krönende Abschluss
seiner künstlerischen Laufbahn. Zu Anfang des Jahres 1564 ergriff
den hochbetagten Meister ein schleichendes Fieber, welches seine Lebens-
kräfte langsam aufzehrte. Als er seinen Tod herannahen fühlte, machte