Volltext: Geschichte der Italienischen Malerei vom vierten bis ins sechzehnte Jahrhundert (Bd. 2)

Sixtina 
Jüngstes 
Gericht. 
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von Heiligen und Seligen, welche bei Giotto, Orcagna, Fiesole um 
die erhabene Gestalt einen Nimbus von himmlischer Herrlichkeit bilden; 
vergebens die strahlende Seligkeit der Auserwählten, welche zu den 
Schrecknissen der Verdammten einen tröstenden Gegensatz bilden. 
Hier ist Alles in wilder Aufregung, und die heranstürmenden dichten 
Massen athletischer Gestalten scheinen eher die Giganten der antiken 
Sage, die den Olymp erstürmen wollen. Mehr als irgendwo finden 
wir hier jenes Dämonisch-Üngeheure, jenes nterribile", das schon die 
Zeitgenossen an Michelangelo bewunderten. In seiner verhängnissvollen, 
immer gewaltsamer sich vordritngenden Neigung zur Entfesselung einer 
ungebändigten Cllhatkraft giebt der Meister hier ein ungeheures Gewoge 
nackter Körper, in denen der Ausdruck physischen Handelns fast aus- 
schliesslich zur Geltung kommt und die Schilderung des Seelenlebens 
unterdrückt. Mit einer Meisterschaft, die jedes Vergleiches spottet, 
sind diese unabsehbaren Massen aufschwebender, niederstürzender, heran- 
stürmender Körper in allen erdenklichen Stellungen und den kühnsten 
Verkürzungen hingestellt. In künstlerischer Hinsicht ist das Bild ohne 
Frage eins der grössten Wunderwerke der Welt; aber das innere 
geistige Leben ist bei der einseitigen Entfesselung des physischen zu 
kurz gekommen. Die dämonische Silbjectivitat des Meisters erwies 
sich mehr als je verhängnissvoll. 
Vom rein künstlerischen Gesichtspunkte wird trotzdem diese 
Schöpfung ewig bewundernswerth bleiben. Schon die Gliederung und 
Eintheilung der ungeheuren Bildfläche zeigt den grossen Meister. In 
der oberen Hälfte des Bildes sieht man in der Mitte eine nackte männ- 
liche Gestalt, die wie eine Mischung von Apoll "und Herkules erscheint. 
Es ist Christus, der mit heftiger Geberde des Abweisens den Verwer- 
fenen sein „Weichet von mir, ihr Verdammte" zuschleudert. S0 jäh- 
lings bricht diese zornige Bewegung hervor, dass selbst Maria wie 
verschüchtert zur Seite ihres Sohnes zusammenfahrt, und dass rings 
der Kreis der Apostel fast drohend herandrängt, die Zeichen ihres 
Marterthums vorweisend, als wollten sie dadurch zu unbarmherziger 
Rache auffordern. Da sieht man rechts die herkulische Gestalt des 
Petrus, der seine Schlüssel vorweist, während unter ihm Bartholomaus 
das Messer schwingt und in der Linken sogar die Haut, die man ihm 
abgezogen, herbeibringt. Gegenüber sieht man von der Rückseite 
Andreas mit seinem Kreuze, und neben ihm die nicht minder athle- 
tische Gestalt des Adam, dessen Schultern ein Thierfell bedeckt; weiter 
unten Laurentius, der sich mit seinem Roste schleppt. Hier ist nur
	        
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