120
Buch.
Kapitel.
Buonarroti.
Michelangelo
denn nie hat "die Innerlichkeit des Empfindens sich gewaltiger in pla-
stischen Formen ausgesprochen. Die beiden über den Grabmälern in
Nischen sitzenden Gestalten sind ebenfalls weit weniger in gewöhn-
licher Bildnissähnlichkeit, als im Ausdruck gewisser Stimmungen auf-
gefasst. Bei Lorenzo namentlich ist das tief Nachdenkende der Hal-
tung, das ihm den Beinamen il Pensiero verschafft hat, von ergreifender
Wirkung.
Während Michelangelo an diesen Arbeiten beschäftigt war, zog
sich über Florenz das finstere Verhängniss zusammen, welches der
Freiheit seiner Vaterstadt den Untergang bringen sollte. Als das Heer
Karls V. nahte, um im Bündniss mit dem Papste die Herrschaft der
Medici den Florentinern Wieder ailfzuzwingen, vermochte keine Rück-
sicht auf seine persönlichen Verhältnisse zu dieser Familie Michelangelo
abzuhalten, seiner Vaterstadt in dem Todeskampfe ihrer Unabhängig-
keit seine Dienste zu weihen. Es ist ein Zug antiker Charaktergriisse
und republikanischen Heldengeistes, der ihn beseelt. Zum General-
commissar für die Befestigungsarbeiten ernannt, gab er sich mit Eifer
seinem Amte hin. Dazwischen arbeitet er in Mussestunden an den
Grabmälern derselben Familie, gegen deren Üsurpation er die Stadt
zu schützen sucht. Ja sogar ein Werk der Malerei geht damals aus
seinen Händen hervor, ein für den Herzog von Ferrara ausgeführtes
Temperabild der Ireda, das später in Frankreich verschollen ist. Als
aber das kaiserliche Heer im October 1529 näher heran rückt und
Michelangelo die verrätherischen Pläne des Horentiner Qbergenerals
Malatesta Baglioni erfährt, der die Stadt den Kaiserlichen zu über-
geben trachtet, zeigt Michelangelo diese Umtriebe der Signoria an.
Da man ihn aber, statt ihm zu glauben, mit Vorwürfen überhäuft, legt
er sein Amt nieder und entweicht, an der Rettung der Vaterstadt ver-
zweifelnd, zuerst nach Ferrara, dann nach Venedig. Aber kaum dort
angelangt, lässt es ihm keine Ruhe, und obwohl die Signoria ihn als
Rebellen ächtet, weiss er sich die Erlaubniss zur Rückkehr zu ver-
schaffen und kehrt nach Florenz zurück, um als Bürger seine Pflicht
zu erfüllen.
Vergeblich! Malatesta führte seinen Plan aus und Florenz öffnete
am 12_ August 1530 dem Feinde die Thore, unter Bedingung einer
Amnestie, von welcher nur die Anführer, darunter Michelangelo, aus-
geschlossen waren. Doch bot Clemens VII. ihm Verzeihung an, wenn
er die Grabmäler vollenden wolle. In welcher Stimmung der Meister
sein Werk zu Ende führte, spricht der schwermuthvolle Ernst deutlich